
Medizinisches Cannabis ist in Deutschland seit 2017 verschreibungsfähig.
Foto: Elsa Olofsson
Cannabis in Deutschland: Zwischen Aufbruch, Versorgung und gemeinschaftlichem Anbau
Der Umgang mit Cannabis in Deutschland befindet sich in einem Wandel. Während die politische Debatte lange von restriktiven Haltungen geprägt war, öffnet sich das Land nun neuen Konzepten im Umgang mit der Pflanze.
Mit dem Inkrafttreten des neuen Cannabisgesetzes im April 2024 hat sich nicht nur die rechtliche Lage geändert, sondern auch die Versorgungslage mit medizinischem Cannabis. Doch wie weit ist Deutschland tatsächlich auf dem Weg zu einer modernen Cannabispolitik und welche Herausforderungen bestehen weiterhin?
Medizinisches Cannabis: Wo Deutschland heute steht
Medizinisches Cannabis ist in Deutschland seit 2017 verschreibungsfähig. Doch trotz der gesetzlichen Grundlage blieb der Zugang für viele Betroffene jahrelang erschwert. Die Hürden reichten von hohen bürokratischen Anforderungen über Unsicherheiten bei der Kostenübernahme bis hin zu einer unzureichenden Verfügbarkeit in Apotheken. Mit der jüngsten Gesetzesreform hat sich einiges bewegt. Die Verschreibung von medizinischem Cannabis wurde vereinfacht und es ist kein Betäubungsmittelrezept mehr erforderlich. Diese Änderung hat neue Möglichkeiten in der Verschreibung von medizinischem Cannabis geschaffen. Wer heute Cannabispatient werden möchte, kann mittlerweile auch über spezialisierte Online-Plattformen gehen und sich das Rezept digital ausstellen lassen.
Legalisierung: Zwischen Erwartungen und Realität
Das neue Gesetz trennt strikt zwischen medizinischem und freizeitlichem Gebrauch. Während Erwachsene in Deutschland seit April 2024 unter bestimmten Bedingungen Cannabis zu privaten Zwecken anbauen oder in sogenannten Cannabis-Clubs gemeinschaftlich kultivieren dürfen, bleibt die medizinische Nutzung weiterhin ein eigenständiger und streng regulierter Bereich. Der Weg zur medizinisch begründeten Versorgung führt weiterhin über den Arzt.
Die Hoffnung vieler Patienten, dass die allgemeine Legalisierung auch den medizinischen Zugang erleichtert, hat sich nur teilweise erfüllt. Zwar sind Rezepte nun leichter erhältlich, doch die Versorgungslage ist regional sehr unterschiedlich. In ländlichen Regionen mangelt es teils an Apotheken mit entsprechender Expertise. Auch die Preisgestaltung sorgt weiterhin für Diskussionen, da viele Patienten auf Selbstzahlerbasis hohe Summen aufbringen müssen, wenn die Krankenkasse die Kosten nicht übernimmt.
Wann wird medizinisches Cannabis verordnet?
Medizinisches Cannabis wird in Deutschland nur dann verordnet, wenn andere Therapieoptionen nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben oder mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden sind. Die Verordnung erfolgt insbesondere bei chronischen Schmerzen, Spastiken im Rahmen von Multipler Sklerose, Übelkeit und Erbrechen nach Chemotherapien sowie Appetitlosigkeit bei schwerwiegenden Erkrankungen. Auch bei bestimmten neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen kann eine Cannabis-Therapie in Betracht gezogen werden. Die Entscheidung, ob medizinisches Cannabis in Frage kommt, trifft der behandelnde Arzt.
Hürden beim Zugang zu medizinischem Cannabis
Trotz der rechtlichen Erleichterungen bleibt der Weg zu einer umfassenden Versorgung mit medizinischem Cannabis in Deutschland herausfordernd. Die größten Probleme bestehen in drei Bereichen:
- Ärztliche Versorgung: Noch immer scheuen sich viele Mediziner, Cannabis zu verschreiben. Grund hierfür sind häufig Unklarheiten über die Indikation und mangelnde Erfahrungen in der Cannabis-Therapie.
- Apotheken und Lieferketten: Engpässe bei bestimmten Sorten sind keine Seltenheit. Importabhängigkeit und Produktionsengpässe tragen dazu bei, dass nicht alle Präparate immer verfügbar sind.
- Kostenübernahme: Auch wenn das Genehmigungserfordernis bei den Krankenkassen gefallen ist, bleibt die Kostenübernahme oft ein Streitpunkt. Nicht alle Kassen übernehmen die Kosten ohne Weiteres, insbesondere bei chronischen Schmerzpatienten oder psychischen Erkrankungen.
Blick in die Zukunft: Wohin steuert die Cannabispolitik?
Die aktuelle Gesetzgebung ist ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einer umfassenderen Cannabispolitik. Politische Stimmen aus verschiedenen Lagern fordern bereits Nachbesserungen bei der Ausgestaltung der Cannabis-Clubs, der Versorgung mit medizinischem Cannabis oder der Stärkung der Forschung. Besonders gefordert ist der Ausbau von Studien, die die Wirkung und Sicherheit von Cannabisarzneien besser belegen und so die Akzeptanz in der Ärzteschaft erhöhen.
Auch die Möglichkeit eines staatlich begleiteten Anbaus für medizinische Zwecke wird diskutiert, um die Importabhängigkeit zu reduzieren und die Versorgungslage zu stabilisieren. Ob sich diese Visionen umsetzen lassen, hängt vom politischen Willen und vom gesellschaftlichen Konsens in den kommenden Jahren ab.
Fazit: Der Grundstein ist gelegt
Cannabis ist in Deutschland längst kein Nischenthema mehr. Mit den jüngsten Gesetzesänderungen ist ein wichtiger Schritt in Richtung Entstigmatisierung und einfacher Versorgung getan. Doch gerade für Patienten, die auf medizinisches Cannabis angewiesen sind, bleiben Hürden bestehen. Der Weg zum Rezept ist zwar einfacher geworden, doch die flächendeckende Versorgung und die Akzeptanz im medizinischen Alltag sind weiterhin ausbaufähig. Gemeinschaftliche Anbauprojekte zeigen neue gesellschaftliche Perspektiven auf, auch wenn sie für die medizinische Versorgung noch keine direkte Rolle spielen. Der Aufbruch ist spürbar und nun kommt es darauf an, wie konsequent der eingeschlagene Weg weiterverfolgt wird.