Die Welt zwischen den Nachrichten schauspieler

Rosa (Angelika Hofstätter, li.) und Bea (Petra-Janina Schultz) in Action. Alice Bleistein

Foto: Alice Bleistein

Kultur

Einsamkeit prägt mehr als Kriege

6. Dezember 2024 // 10:21

Weil seine Rollschuhe bei der letzten Probe kaputt gegangen sind und noch kein Ersatz in Schuhgröße 46 (!) gefunden wurde, rennt Schauspieler Leon Häder im Bremer Theater am Leibnizplatz auf Socken in Kreisen über die Bühne. Warum?

Darsteller plaudern aus dem Nähkästchen

Es ist ein Mittwochabend, Endprobe zur Inszenierung „Die Welt zwischen den Nachrichten“ von Judith Kuckart. Die Texte haben Ensemblemitglieder der Shakespeare Company und des Stadttheaters Bremerhaven seit Dezember 2023 zum Thema Einsamkeit mitten im aktuellen Weltgeschehen gemeinsam entwickelt. Wir vom Nord24 Lotsemagazin schauen hinter die Kulissen und Darsteller Leon Häder und Isabel Zeumer plaudern aus dem Nähkästchen.

Die Welt zwischen den Nachrichten Schauspieler

Rosa und Frau Berenson (Isabel Zeumer) rücken Moderator Gerlach (Markus Seuß) am Telefon auf die Pelle.

Foto: Alice Bleistein

Warten auf Anrufe in der Nacht

Die Rahmenhandlung von „Die Welt zwischen den Nachrichten“ beginnt in einem Radiostudio. Wie immer von Mittwoch auf Donnerstag sitzt Moderator Gerlach im Studio von Radio Nord Nordwest 2 und wartet auf Anrufe von Menschen, die aus ihrem Leben erzählen. In dieser Nacht sollen Zuhörer berichten, ob und wie ein Buch, ein Song, ein Gedicht oder sogar ein Sonett von Shakespeare sie einmal gerettet hat. In dieser Nacht rufen vier Menschen aus dem JETZT an, aber auch eine Dark Lady aus dem Jenseits meldet sich. So steht es im Programm geschrieben.

Verwirrende Fragen

Aber Moment, die Dark Lady ist doch auch ein Pilz, gespielt von Leon Haider. Warum rennt ein Pilz überhaupt in Kreisen über die Bühne statt still in einer Ecke oder im Wald herumzustehen? Fragen, die zunächst verwirren, aber gleichzeitig neugierig machen, was dahinter steckt. Was hat dies mit Nachrichten über Kriege und Gewalt zu tun, die kontinuierlich leise über Lautsprecher in das eigene Hirn rieseln, während sich Szenen und Gespräche ganz nah auf der Bühne und um die Zuschauer herum abspielen?

Aussagen von Opfern zwischen den Fronten

„Hallo! Hört mich jemand?“ dringt die Stimme von Angelika Hofstätter als Rosa durch die erschreckend monoton vorgelesenen Entstehungsgründe der Hisbollah und Aussagen von Opfern zwischen den Fronten. Sie holt die Zuhörer zurück auf das Geschehen auf und an der Bühne, will mit ihren Worten Gehör finden. Dabei ist nicht zu vergessen, dass die Rollen, die Geschichten der sechs Darstellerinnen und Darsteller aus ihren eigenen Federn entstanden sind, sie sich selbst mit persönlichen Ängsten und Themen eingebracht und mit Unterstützung von Regisseurin Judith Kuckart zum Leben erwecken.

Erste Besetzung in einer Stückentwicklung

„Ich war sehr froh über meine erste Besetzung in einer Stückentwicklung“, erzählt Leon Haider, seit 2021 Schauspieler am Stadttheater Bremerhaven. „Wir hatten die Möglichkeit, ein Thema mitzuentwickeln und zu gestalten. Judith hat mich überrascht, wie gut sie so einen Prozess moderiert. Wir haben es gemeinsam über ein halbes Jahr entwickelt, uns getroffen, diskutiert und Hausaufgaben erhalten.“ Dazu gehörte unter anderem auch, ein Tagebuch zu schreiben und die Fragestellung „Wie sieht dein letzter Tag aus, bevor du stirbst?“

Shakespeare und das Thema Sterben

Isabel Zeumer, mit 70 Jahren die Älteste auf der Bühne, hat sich damit besonders intensiv mit dem Thema Sterben und den Sonetten von William Shakespeare auseinandergesetzt. „Das hat viel mit mir und meiner eigenen Situation zu tun. In meinem Alter habe ich mich natürlich schon mehr mit der Vergänglichkeit von Schönheit und meiner selbst befasst. Das war auf einer persönlichen Ebene anstrengend, aber ich freue mich darüber, mit dieser Arbeit nach vielen Jahren hier am Stadttheater die Zusammenarbeit mit der Shakespeare Company erleben zu dürfen. Ich konnte dadurch mal neue Wege gehen, habe einen anderen Blick bekommen.“ Wie ihre Figur Frau Behrenson hat auch Isabel Zeumer Pläne mit ihrer Tochter - wenn nicht genau in Bezug auf den letzten Lebenstag - , aber noch Wünsche über gemeinsame Unternehmungen. „Als ich das alles aufschrieb, wie ich mit meiner Tochter noch die Welt bereisen möchte, fühlte ich mich egoistisch. Die Welt steht in Flammen und ich mache mir nur Gedanken um mich.“

Herausforderung für alle

Genau darin lag die Herausforderung für alle Ensemblemitglieder: Sich mit den eigenen Wünschen und Ängsten inmitten der aktuellen Weltlage auseinanderzusetzen, zu priorisieren und fiktive, facettenreiche Figuren zu entwickeln, um diese gemeinschaftlich auf der Bühne zum Leben zu erwecken. Als mystische Dark Lady, wortwitziger und anpassungsfähiger Pilz auf Rollen oder als alternde Träumerin mit festem Sterbeplan.

Protagonisten vom Theaterstück

Alle Protagonisten auf einen Blick: Rechts Frau Winter (Svea Meiken Auerbach und Dark Lady/Pilz (Leon Häder).

Foto: Alice Bleistein

INSZENIERUNG
Judith Kuckart

DRAMATURGIE
Justine Wiechmann

FRAU WINTER
Svea Meiken Auerbach

DARK LADY PILZ
Leon Häder

ROSA
Angelika Hofstetter

BEA
Petra-Janina Schultz

HERR GERLACH
Markus Seuß

FRAU BEHRENSON
Isabel Zeumer