Die Kardiologen Dr. Wolfgang Dausch (links) und Prof. Rüdiger Dißmann beim Gesundheitstalk der Nordsee-Zeitung.

© Philipp Overschmidt

Noch im Februar waren die Kardiologen Professor Dr. Rüdiger Dißmann (rechts) und Dr. Wolfgang Dausch zu Gast beim Gesundheits-Talk der NORDSEE-ZEITUNG. Jetzt verlassen beide Chefärzte bald die Bremerhavener Krankenhäuser.

Chefärzte auf dem Absprung: Was das für die Patienten bedeutet

So groß war Ärztemangel in Bremerhaven noch nie: Mit Dr. Wolfgang Dausch und Prof. Rüdiger Dißmann verlassen gleich zwei Kardiologen die Krankenhäuser.

Chefärzte auf dem Absprung

Zwei Top-Kardiologen verlassen die Bremerhavener Kliniken - und sie sind nicht die Einzigen

So viele offene Stellen bei Chefärzten und Ärzten in Bremerhaven gab es noch nie. Und nun verlassen mit Dr. Wolfgang Dausch (Ameos) und Prof. Rüdiger Dißmann (Reinkenheide) gleich zwei Chef-Kardiologen ihre Häuser. Was bedeutet das für die Patienten?

Zwei Top-Kardiologen werden in Kürze die Bremerhavener Kliniken verlassen: Der Ärztliche Direktor der Ameos-Krankenhäuser, Dr. Wolfgang Dausch, wechselt in eine Praxis im Landkreis. „Ein Nachfolger als Chefarzt ist bereits gefunden, den wir in Kürze vorstellen werden“, sagt Ameos-Sprecher Marco Graudenz. „Damit können wir unseren Patientinnen und Patienten weiter eine sehr gute qualitative medizinische Versorgung in der Kardiologie anbieten.“

Prof. Dr. Rüdiger Dißmann, Chefarzt im Klinikum Reinkenheide, wird dem städtischen Krankenhaus Ende März den Rücken kehren. Zu seinen Plänen wollte er sich gegenüber der NORDSEE-ZEITUNG noch nicht äußern. Und die Herzspezialisten sind nicht die Einzigen: Die Chefarztposition der Klinik für Neurochirurgie in Reinkenheide ist seit Juli vakant, nachdem Professor Christian Scheller nach nur einem halben Jahr wieder seinen Hut genommen hatte. Das sei auf eigenen Wunsch erfolgt, so Kliniksprecher Henning Meyer, ebenso wie bei Privatdozent Dr. Stefan Pfleiderer, Chefarzt der Radiologie, der das Klinikum Ende dieses Jahres verlässt, „um sich neuen beruflichen Herausforderungen außerhalb des Klinikums zu stellen“. Aktivitäten zur Nachbesetzung der Positionen seien angestoßen worden.

Auch Fach- und Oberärzte werden gesucht. „Nach aktuellem Stand haben wir 18 vakante Positionen im ärztlichen Bereich“, sagt Meyer.

Ameos kündigt unterdessen an, dass zum Jahresbeginn 2023 ein neues Team aus vier erfahrenen Ärzten in der seit Sommer vakanten Gefäßchirurgie beginnen wird. Das bisherige Team war komplett nach Cuxhaven gegangen.

Kardiologe Dausch wechselt in Langener Ärztehaus

Dausch baute 2015 als Chefarzt die Klinik für Herz-, Kreislauf- und Gefäßmedizin bei Ameos auf, seit 2016 fungierte er zudem als Ärztlicher Direktor. Sein Schritt in den niedergelassenen Bereich habe nichts mit dem Arbeitgeber zu tun, „sondern war meine längerfristige persönliche Planung“, betont der 62-Jährige. Bereits ab dem 1. November steigt Dausch als Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie mit zwei Sprechstundentagen pro Woche in die Langener Hausärztepraxis in der Sieverner Straße von Dr. Nina Brümmer und drei Kolleginnen und Kollegen ein. Laut Dausch soll außerdem noch ein Urologe hinzukommen, „so dass wir im Januar als Ärztehaus für Geestland-Langen an den Start gehen“. Ab dann will Dausch Vollzeit in der Praxis arbeiten, bis dahin wird er im Klinikum noch seinen Nachfolger einarbeiten.

30 Jahre lang Klinikarzt, „das zehrt ein bisschen“, sagt Dausch. Die Work-Life-Balance sei für Ärzte und Pflegekräfte nicht besonders gut. Corona habe die Lage in den Kliniken weiter verschärft. Bereits vor seiner Bremerhavener Zeit war der Mediziner in Hessen sowohl im Krankenhaus als auch ambulant tätig. „Ich fand das damals schon klasse, sektorenübergreifend tätig zu sein“, sagt Dausch. Das Gesundheitswesen müsse sich ohnehin mehr in die Richtung einer sektorenübergreifenden Versorgung, wie beispielsweise Portalpraxen an Kliniken, entwickeln, um zukunftsfähig zu sein. „Andernfalls werden wir die Versorgung speziell in strukturschwachen Regionen wie Bremerhaven nicht mehr hinkriegen“, ist der Mediziner überzeugt.

Als niedergelassener Kardiologe will Dausch weiterhin vertrauensvoll mit den Ameos-Kliniken zusammenarbeiten.

Ärztemangel stellt Kliniken vor große Herausforderungen

„Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen ist eine Herausforderung für alle Krankenhäuser“, sagt Graudenz. „Seit Jahren unternehmen wir große Anstrengungen, offene Stellen zu besetzen, und nutzen dabei alle uns zur Verfügung stehenden Mittel der Kommunikation beziehungsweise Werbung.“ Ameos setze außerdem „auf eine eigene hervorragende Ausbildung“, es gebe eine Kooperation mit der Universität Osijek in Kroatien, an der Ameos Medizinstudenten mit einem Stipendium unterstützt.

Das Kernproblem: „Es gehen heute mehr medizinische und pflegerische Fachkräfte in den Ruhestand, als neue auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen“, so Graudenz. Eine alternde Gesellschaft erhöhe außerdem den Bedarf.

Der Ärztemangel stellt die Krankenhäuser zunehmend vor große Herausforderungen und wird offenbar immer mehr zum Dauerzustand. „Einen neuen, plötzlich auftretenden Anstieg von Austritten im ärztlichen Bereich sehen wir derzeit nicht“, betont Meyer für das Klinikum Reinkenheide. „Nach unserer Einschätzung sind diese Vakanzen vielmehr die Folge eines bundesweiten Fachkräftemangels, der eben auch die Gesundheitsbranche schon seit Längerem trifft.“ Durch den Fachkräftemangel könne es „zu temporären Engpässen in einzelnen Bereichen“ kommen. Ziel sei, alle offenen ärztlichen Positionen möglichst zeitnah zu besetzen - mit einer crossmedialen Kommunikationskampagne, über individuelle Netzwerke sowie interessante Weiterbildungsangebote für Assistenzärzte.