Eine Zapfpistole in einer Hand. Der Hintergrund ist verschwimmen.

Rund ums Thema Tanken gibt es einige weitverbreitete Fehlinformationen.

Foto: Arnd Hartmann

Niedersachsen & Bremen

Diese 10 Irrtümer über Spritpreise und das Sparen beim Tanken solltet ihr kennen

Von Christian Lindner
22. September 2024 // 15:00

Ihr glaubt, der Betreiber Eurer Tankstelle verdient gut an den horrenden Spritpreisen? Das stimmt nicht – im Gegenteil. Wir klären zehn weit verbreitete Irrtümer in puncto Tankstellen und Sparen beim Tanken auf. Vieles davon wird Euch neu sein.

1. Den Tankstellenpächtern bringt teurer Sprit nicht mehr Geld

Steigende Spritpreise bescheren keinem Tankstellenpächter mehr Gewinn – im Gegenteil. Hintergrund: Anders als bei freien Tankstellen gehört den Pächtern einer Markentankstelle der angebotene Sprit gar nicht. Für den Verkauf bekommen sie von den Mineralölgesellschaften eine feste Handelsvertreterprovision pro Liter – unabhängig davon, was der Sprit kostet. Diese Provision ist viel niedriger, als die meisten Autofahrer denken: Laut Tankstellen-Interessenverband (TIV) liegt sie im Schnitt bei einem Cent pro Liter. Und steigen die Spritpreise so drastisch wie 2022, leidet der für den Gewinn der Pächter viel maßgeblichere Shop-Betrieb: Wer jetzt 150 Euro für eine Tankfüllung bezahlen muss, wird in der Tankstelle weniger kauflustig sein. Viele Tankstellen verzeichnen deshalb derzeit zurückgehende Shop-Umsätze.

2. Selbst die Pächter großer Tankstellen machen nur wenig Gewinn

Große Marken-Tankstellen in guter Lage machen zwar Millionen-Umsätze pro Jahr, ihre Pächter aber erwirtschaften meist kümmerlich wenig Gewinn. Das liegt an den Pachtverträgen der Mineralölgesellschaften, die den Pächtern kaum unternehmerische Freiheit lassen. Der Tankstellen-Interessenverband kritisiert, dass die Firmen ihre Pächter „wie eigene Angestellte kontrollieren“. Verpflichtende Abrechnungssysteme machen alle Zahlen transparent: Umsatz, Verkaufszahlen, Öffnungszeiten. Auf dieser Basis machen die Ketten jährliche Geschäftspläne mit strikten Vorgaben. Steigt der Gewinn, wird die Pacht erhöht. Macht ein Pächter Minus, bekommt er einen Betriebskostenzuschuss, damit der Spritabsatz gewahrt wird. Der TIV sagt: „Die Gewinne kommen bei den Gesellschaften an“ – und die Geschäftspläne werden „so gestrickt, dass für die Pächter in der Regel nur 30.000 bis 40.000 Euro Gewinn pro Jahr übrigbleiben“.

3. Sprit ist finanziell nicht das Wichtigste für eine Tankstelle

Die Tankstellenpächter machen mit Sprit nur noch einen kleinen Teil ihres Gewinns. Eine moderne Tankstelle mit einem großen Shop und einer guten Waschanlage verdient nach Angaben des Tankstellen-Interessenverbandes mit Kraftstoff 20 Prozent ihres Einkommens, weitere 20 Prozent durch Dienstleistungen wie Autowäsche. 60 Prozent werden durch den Shop erwirtschaftet.

4. Die Tankstelle hat keinen Einfluss auf ihren Spritpreis

Tankstellen, die einer Kette angehören, haben keinen Einfluss auf ihre Spritpreise. Alle Ketten beobachten die Preise und den Absatz in ihren Firmenzentralen und ändern dort die Preise – computergestützt und regional immer individuell ausgereizt. Die Preisänderungen durch die Zentrale wirken sich immer sofort bei den angeschlossenen Tankstellen aus – auf der Anzeige an der Straße, an den Säulen, im Kassensystem. Die Tankstellenbetreiber werden oft nicht einmal über die Änderung informiert.

5. Manager der Tankstellenketten sprechen ihre Preise nicht ab

Die Preismanager der marktbeherrschenden Tankstellenketten rufen sich nicht heimlich an, um Preiserhöhungen gemeinsam umzusetzen. Das wäre verboten, ist aber auch gar nicht nötig: Alle Ketten setzen Computer ein, die die Preisentwicklung bundesweit wie regional auswerten – auf Basis der Preise, die alle Tankstellen bei jeder Änderung an das Bundeskartellamt melden müssen. Diese Programme sind faktisch aufeinander bezogen: Die Computer von Supermarkttankstellen etwa lösen zeitversetzt eine Preiserhöhung aus, wenn der Marktführer Aral seinen Preis angehoben hat. Die Tankstellenkette ED (Rheinland) sagt ganz offen: „Nach festgelegten Regeln reagiert die Maschine des Beobachters auf die Maschine des Beobachteten.“ Die Ketten folgen also immer gemeinsam einem Trend – ohne dass dafür eine Absprache nötig ist.

6. Supermarkttankstellen werden nicht von den Supermärkten betrieben

Tankstellen auf den Parkplätzen oder Zufahrten von Supermärkten sind oft die Preisbrecher in einer Stadt. Preissenkungsrunden werden meist von ihnen eingeleitet, und sie halten ihre Preise in der Regel konsequent in einem Abstand von mehreren Cent unter denen der Marktführer wie Aral oder Shell. Viele Autofahrer denken, dass diese Tankstellen von den Supermärkten selbst betrieben oder billigst verpachtet werden, um Kunden anzulocken. In Wahrheit werden diese Tankstellen oft von Ketten betrieben, ohne dass diese das nach außen deutlich machen. Die Tankstellen bei den beiden Kaufland-Märkten in Bremerhaven etwa hat die Kaufland-Mutter Metro an Jet untervermietet. Die Preise der beiden Kaufland-Tankstellen in Bremerhaven werden deshalb von Hamburg aus eingesteuert.

7. Morgens teuer, abends billig – ganz so einfach ist es nicht

Auf lange Sicht gesehen stimmt es: Morgens sind Super und Diesel im Schnitt meist teurer als abends, das bestätigt auch der ADAC. Weil die Mineralölgesellschaften ihre Preise aber auch im Raum Bremerhaven bis zu zwei Dutzend Mal pro Tag ändern, ist auf diese grobe Regel nicht immer Verlass. Es gibt Tage, an denen sinkt der Preis ab 8 Uhr schon wieder für ein, zwei Stunden, und mittags kostet der Sprit bisweilen sogar mehr als morgens.

8. Nachts ist der Sprit mit Sicherheit nicht billiger

Nachts ist wenig los, deshalb müsste der Kraftstoff dann weniger kosten: Das stimmt nicht. Nach den meist üblichen Senkungen im Laufe des Nachmittags bis zum frühen Abend heben alle Tankstellen ihre Preise am späteren Abend wieder kräftig an, um morgens dann von diesem höheren Niveau aus starten zu können.

9. Die Tankstellen werden meist nicht direkt aus Raffinerien versorgt

Die Mehrzahl der Tankstellen erhält ihren Kraftstoff nicht direkt aus einer Raffinerie, und noch seltener aus der Raffinerie der eigenen Marke. Stattdessen wird der raffinierte Sprit eher per Zug, See- oder Binnenschiff in regional verteilte Tanklager meist mittelständischer Unternehmen gebracht. Dort wird der Kraftstoff in großen Tanks gemeinsam eingelagert und von Tanklastern abgeholt. Teils werden beim Betanken dieser Laster Additive der bekannten Marken zugesetzt. An deren Wirkung kann man glauben, aber man muss es nicht. Die Branche selbst spricht intern davon, dass sich ihr Produkt ja kaum unterscheidet.

10. Auf die Preise achten kann sich doch richtig lohnen

Alles nur Cent-Kram, und die Schwankungen gleichen sich aus? Nein. Die Spritpreise können innerhalb eines Tages um extrem schwanken – je nach Tageszeit und Tankstelle. Bei 60 Litern sind das schon knapp zehn Euro Unterschied.

(Dieser Artikel erschien erstmals am 12.07.2022)