
Mit einem Kran wird in Lüchow eine Agrar-Photovoltaik-Anlage montiert.
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Arbeitsmarkt
Gravierende Engpässe: Niedersachsen fehlen Fachkräfte
Die Unternehmen zwischen Harz und Nordsee suchen händeringend nach Personal - besonders gefragt sind unter anderem Ingenieure. Muss schon in der Schule mehr Lust auf Mathe, Chemie, Physik und Technik geweckt werden?
Niedersächsische Unternehmen haben zunehmend Schwierigkeiten, Fachkräfte im naturwissenschaftlichen, technischen und mathematischen Bereich zu finden. „Wir brauchen im Grunde genommen alles - vom Zerspanungsmechaniker über den Elektroingenieur bis zum Informatiker“, sagte Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Niedersachsenmetall, der dpa.
Zum Beispiel könne ein Solarenergie-Unternehmen nicht alle Ausbildungsplätze für Elektrotechniker besetzen. „Dabei kann man da ganz konkret etwas gegen den Klimawandel tun. Das ist doch ein Thema, das der jungen Generation unter den Nägeln brennt“, sagte Schmidt.
Nach Angaben der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für Arbeit zeigen sich gravierende Fachkräfteengpässe in zahlreichen Berufen, darunter Bauberufe, Sanitär, Heizung und Klimatechnik.
Im Bereich Metallbau und Schweißtechnik kamen vor zehn Jahren noch zehn Personen auf eine freie Stelle, zuletzt waren es laut einem Sprecher nur noch zwei. Vor zehn Jahren wurde im Schnitt 101 Tage von einem Arbeitgeber gesucht, um eine Stelle in diesem Bereich neu zu besetzen, heute sind es bereits 247 Tage.
Das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) hält die Situation in seinem Jahresrückblick für „angespannter denn je“. 2022 habe es bundesweit 1,3 Millionen offene Stellen für qualifizierte Fachkräfte gegeben, 30 Prozent mehr als im Vorjahr.
Wie aus Daten des Instituts der deutschen Wirtschaft hervorgeht, gibt es in Niedersachsen und Bremen 50.700 offene Stellen in sogenannten MINT-Berufen. Die Abkürzung steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Dem gegenüber stehen lediglich 18 704 arbeitslos gemeldete MINT-Fachkräfte. Der Frauenanteil beträgt in Niedersachsen 15,4 Prozent und im Bundesschnitt 16,0 Prozent. Deutschlandweit liegt der Anteil der Ausländer unter den MINT-Fachkräften bei 11,8 Prozent, in Niedersachsen nur bei 7,6 Prozent.
Dass die Bundesregierung vermehrt qualifizierte Ausländer anwerben will, hält Schmidt für einen „Schritt in die richtige Richtung“. Allerdings müsse vor allem verhindert werden, dass kluge Köpfe Deutschland den Rücken kehrten. „Es studieren 140.000 Deutsche im Ausland. Von ihnen kommen bis zu drei Viertel nicht zurück.“
Große Defizite sieht Schmidt in den Schulen. Aufgrund des anhaltenden Lehrkräftemangels in MINT-Fächern plädiert er dafür, kreative und unkonventionelle Wege einzuschlagen. „Es sollten auch Experten von Universitäten und aus Unternehmen als Aushilfs-Lehrkräfte geholt werden“, schlägt der Niedersachsenmetall-Chef vor. Studierende oder Auszubildende könnten ebenfalls beispielsweise für Experimente in die Schulen geholt werden.
Die Arbeitgeber und das Land Niedersachsen versuchen unter anderem alle zwei Jahre mit dem Technik-Event IdeenExpo auf dem Messegelände Hannover, junge Menschen für technische Berufe zu begeistern. Zudem unterstützt die Stiftung Niedersachsenmetall engagierte Schulen etwa mit Chemie- oder Physik-Koffern. Die Ausstattung der Fachräume sei oft „völlig antiquarisch“, kritisierte Schmidt. „Ich mache nicht allen, aber vielen Kommunen den Vorwurf, dass sie an der Bildung sparen.“