
Nach dem Arbeitsleben noch ein soziales Pflichtjahr? Das sollte nach Ansicht des Wirtschaftsforschers Marcel Fratzscher Realität werden.
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Bundeswehr statt Ruhestand? Forscher fordert Rentner-Dienst für Senioren
Ein soziales Pflichtjahr für Senioren? Wirtschaftsexperten und Soziologen fordern mehr gesellschaftliches Engagement im Alter – und stoßen damit eine neue Debatte über Solidarität zwischen den Generationen an.
Pflichtjahr für Rentner: Was der Wirtschaftsforscher Fratzscher fordert
Senioren sollten aus Sicht des Wirtschaftsforschers Marcel Fratzscher zum Ende ihres Arbeitslebens ein verpflichtendes soziales Jahr absolvieren. Die ältere Generation müsse sich gesellschaftlich „stärker einbringen, beispielsweise im Sozialbereich, aber auch bei der Verteidigung“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), dem „Spiegel“ (Freitag).
Warum auch Senioren beim sozialen Dienst gebraucht werden
Die Bundeswehr würde dann von den technischen Fähigkeiten vieler Rentner profitieren, erläuterte er. „Warum sollten wir die nicht nutzen, gerade von Leuten, die früher bei der Bundeswehr ausgebildet wurden“, so Fratzscher. Ihn störe an den aktuellen Diskussionen über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht für junge Erwachsene, „dass wir die Lösung unserer Probleme häufig schematisch den Jungen aufbürden“. Die jungen Generationen seien aber bereits stark durch steigende Sozialabgaben und die Folgen des Klimawandels belastet.
Ein neuer Generationenvertrag: Mehr Solidarität von Alt zu Jung
„Wir brauchen mehr Solidarität der Alten mit den Jungen“, so Fratzscher. Nötig sei die Verhandlung eines „neuen Generationenvertrags“ für Deutschland. Fratzscher ist seit 2013 Präsident des DIW. Am 29. August erscheint sein Buch „Nach uns die Zukunft - Ein neuer Generationenvertrag für Freiheit, Sicherheit und Chancen“.
Pflichtjahr am Lebensende? Auch Soziologe Hurrelmann fordert Einsatz
Zuvor hatte sich auch der Soziologe Klaus Hurrelmann (81) für ein Pflichtjahr am „Ende des Arbeitslebens“ starkgemacht; das gelte insbesondere bei der Einführung einer Wehrpflicht. Es sei nicht gerecht, nur von der Jugend zu erwarten, das Land zu verteidigen, sagte er im „Spiegel“. Eine Dienstpflicht für Ältere könnte das Solidaritätsgefühl zwischen den Generationen stärken.
Urlaub statt Verantwortung? Warum Forscher das Rentenalter hinterfragen
Hurrelmann kritisierte, dass viele Rentner und Rentnerinnen nach ihrer beruflichen Laufbahn nur noch ein Leben in Freizeit führen wollten. „Mit 65 - oder oft genug schon mit 63 - sind die Leute plötzlich nur noch Privat- und Urlaubsmenschen. Was ist denn das für ein Konzept?“ Auch mit 81 Jahren empfinde er eine „gewisse Bringschuld“, da er sein Leben lang als Wissenschaftler tätig war und sein Einkommen größtenteils aus Steuergeldern stammte. Solange es ihm möglich sei, wolle er der Gesellschaft etwas zurückgeben.
Rentner sollen auch etwas opfern
Vor einem Jahr hatte bereits die CDU-Politikerin Kristina Schröder vorgeschlagen, Ältere zu einem sozialen Pflichtjahr zu bewegen. Die ältere Generation bürde der jüngeren vor allem seit Corona sehr viel auf, so Schröder damals in einem Gastbeitrag in der „Welt“. „Wir haben ihnen für über zwei Jahre fast alles genommen, was unbeschwerte und prägende Jugend ausmacht, das meiste davon unwiederbringlich.“ Da sollte es möglich sein, dass Rentner und Rentnerinnen auch etwas opfern.
Freiheitsdienst für alle? Grüne wollen Pflichtdienst bis 67
Die bayerischen Grünen hatten im März einen verpflichtenden „Freiheitsdienst“ vorgeschlagen. Dieser solle für alle Menschen zwischen 18 und 67 Jahren gelten, sechs Monate dauern und als Wehrdienst, beim Bevölkerungsschutz oder als Gesellschaftsdienst abgeleistet werden. Bereits geleistete Dienste oder bestimmte ehrenamtliche Tätigkeiten könnten angerechnet werden.
64 Prozent dafür: Mehrheit befürwortet Pflichtjahr für alle Generationen
In einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung hatten sich 2022 rund 64 Prozent der Befragten offen für ein soziales Pflichtjahr für alle Altersklassen gezeigt. Bereits heute können Senioren freiwillig einen Bundesfreiwilligendienst ableisten. Verschiedene Großunternehmen in Deutschland bieten älteren Mitarbeitern an, früher in Rente zu gehen, wenn sie sich in der ersten Zeit ihres Ruhestandes gesellschaftlich engagieren. (kna/fk)