
Bremer Projekt „Shared Decision Making“ erhält MSD-Gesundheitspreis in München.
Foto: Michael Kayser
Gesundheit geht vor: Diese Krankenkasse gewinnt Preis mit innovativem Konzept
Für ihr Projekt „Shared Decision Making (SDM) – Bremer Patienten und Ärzte entscheiden gemeinsam“ ist die AOK Bremen/Bremerhaven zusammen mit weiteren Partnern ausgezeichnet worden. Sie erhielt in München den Sonderpreis Arztnetze des bundesweiten MSD-Gesundheitspreises. Autor: Jörn Hons
MSD Gesundheit verleiht Sonderpreis
Das Pharmaunternehmen MSD Gesundheit gilt als fünftgrößter Pharmakonzern weltweit. Mit dem MSD-Gesundheitspreis, der unter der Schirmherrschaft der bayrischen Staatsministerin für Gesundheit und Pflege Melanie Huml (CSU) steht, werden seit 2012 jedes Jahr innovative Versorgungslösungen in Deutschland ausgezeichnet. Insgesamt sieben Preisträger wurden in diesem Jahr von einer Expertenjury aus 52 Bewerbungen ausgewählt und erhalten ein Preisgeld von insgesamt 110.000 Euro. Die Projekte wurden mit drei Haupt- und vier Sonderpreisen sowie einem Publikumspreis ausgezeichnet. Die Preisträger werden ihre Projekte im Dezember 2019 im Bundesministerium für Gesundheit präsentieren.
Gemeinsame Entscheidung von Arzt und Patient
„Shared Decision Making“ (Gemeinsame Entscheidungsfindung) soll die Arzt-Patienten-Gespräche verbessern und eine Entscheidung auf Augenhöhe ermöglichen, wenn es darum geht, aus mehreren in Frage kommenden Therapien die am besten passende zu wählen. Gleichzeitig sollen damit die Mittel in der gesetzlichen Krankenversicherung effektiver eingesetzt werden, weil sich die Patienten besser an gemeinsam vereinbarte Behandlungsschritte halten. Nicht zuletzt soll so die Versorgung von Menschen mit chronischen Erkrankungen verbessert werden. In Bremen und Bremerhaven wird das Projekt seit kurzem bundesweit zum ersten Mal in einem ganzen Bundesland umgesetzt. SDM ist Bestandteil des Bremer Hausarztvertrages – und verpflichtet damit rund 450 Hausärzte, nach dem neuen Konzept zu behandeln. Entwickelt und erprobt wurde das Programm „Shared Decision Making“ (SDM) seit gut zwei Jahren am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in Kiel.
Hausärzte absolvieren Online-Training
Die Expertenjury des MSD-Gesundheitspreises, die das Projekt aus 52 Bewerbungen ausgewählt hat, hob besonders hervor, dass das Bremer SDM-Projekt „in idealer Weise die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzt, um das Selbstbestimmungsrecht der Patienten auf eine Augenhöhe mit dem Fachwissen des Arztes zu bringen“. Die teilnehmenden Hausärzte nehmen an einem umfangreichen Schulungsprogramm teil, das in Bremen im Oktober startet. Jeder Hausarzt absolviert ein Online-Training, außerdem werden die Mediziner in fünf ganztägigen Veranstaltungen geschult. Anschließend trainieren die Ärzte – je nach Bedarf – mit Simulationspatienten.
Beratung: Vor- und Nachteile verschiedener Behandlungsmethoden
Per Video werden dabei Arzt-Patienten-Gespräche aufgenommen - die Kieler Experten analysieren die Gespräche und geben den Ärzten persönliche Rückmeldungen und Tipps, was sie beim nächsten Gespräch besser machen können. Die teilnehmenden Ärzte verpflichten sich zudem, ihre Mitarbeiter in der Praxis zu Decision-Coaches (Entscheidungstrainern) ausbilden zu lassen. Sie sollen die Patienten schon im Vorfeld auf das Arztgespräch vorbereiten, damit diese gezielter fragen können und von den Ärzten bessere Antworten erhalten. Dazu können die Patienten ihrerseits auf Online-Entscheidungshilfen, Broschüren oder Videos zugreifen. Diese Medien sollen zum Beispiel bei Krankheiten wie Adipositas, Multipler Sklerose oder Herzkrankheiten verschiedene Behandlungswege und deren Vor- und Nachteile aufzeigen. Rund 80 Entscheidungshilfen werden dazu derzeit erstellt.
Sicht des Patienten soll stärker mit einfließen
Nach den Erkenntnissen von Professor Dr. Friedemann Geiger von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Kiel gibt es viel Verbesserungsbedarf bei Gesprächen zwischen Arzt und Patient. Der Psychologe leitet am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) das Sonderprojekt „Shared Decision Making“ (SDM). Die gemeinsame Entscheidung von Arzt und Patient hält Geiger immer dann für angebracht, wenn sich mehrere Behandlungsmöglichkeiten gleich gut begründen lassen. „In solchen Fällen sollten Patienten mit entscheiden können“, betonte Geiger. Neben dem medizinischen Wissen des Experten ist für ihn wichtig, dass persönliche Präferenzen des Patienten mit einfließen: „Ich als Patient muss ja die Tabletten schlucken.“
Qualität in der medizinischen Versorgung wird verbessert
Für den AOK-Vorstandsvorsitzenden Olaf Woggan ist der Sonderpreis des MSD-Gesundheitspreises „der Beweis dafür, dass wir uns mit dieser Weiterentwicklung unserer hausärztlichen Versorgung auf dem richtigen Weg befinden. Eine gute Entscheidungsfindung hilft unseren Versicherten und den Ärzten – sie wird die Qualität in der medizinischen Versorgung deutlich verbessern.“

Bremer Projekt „Shared Decision Making“ erhält MSD-Gesundheitspreis in München.
Foto: Michael Kayser
