
Alexander Schirm ist mit Rennrad und Flyern unterwegs, um Hund und Halter ausfindig zu machen, die er für den Tod von Loki verantwortlich macht. Foto: Heyne.
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Hund in Scheeßel totgebissen - Herrchen sucht anderen Halter
Von Ulla HeyneScheeßel. Eigentlich war Freitag ein guter Tag: Die Sonne schien, die Familie war zu Oma in die Ferien gefahren, nur Alex Schirm und Familienhund Loki blieben zu Hause. Und eigentlich war die Gassi-Zeit schon längst vorbei, „aber weil er unbedingt wollte, haben wir noch eine Runde gedreht“, erinnert sich der Wahl-Scheeßeler. Es war die letzte Runde mit Loki.
Die Runde am Tennisplatz vorbei kannte der Chihuahua-Mix gut: zuerst Leute begrüßen – „Herrchen“ Alex ist Mitglied, fast jeder im Tennisclub kannte den verschmusten schwarz-weiß gefleckten Rüden -, dann auf der Wiese davor spielen. Auch wenn auf das in der Hundeschule eingeübte Rückrufkommando Verlass ist, nimmt der selbstständige IT-Berater auch nach der Begleithund-Prüfung immer die mehrere Meter lange Schleppleine mit –„im Zweifelsfall kann man ihn damit innerhalb von Sekunden zurückholen.“ Diese Zeit sollte ihm am Freitag gegen 21.30 Uhr nicht bleiben. Während er in einiger Entfernung seinem Hund folgte, sah er, wie sich aus der Zufahrtsstraße vom Helvesieker Weg ein weiterer Gassigeher näherte, den großen schwarz-weißen Hund an der Leine. Loki lief einige Meter in dessen Richtung, bellte einige Male. Da waren die beiden Hunde etwa zehn, zwölf Meter voneinander entfernt. „Bedrohlich war die Situation aber nicht, eher so eine Standard-Alltagssituation“, beschreibt Schirm seine damalige Wahrnehmung. Eine Fehleinschätzung, wie sich herausstellen sollte. Urplötzlich habe er den anderen Hund aus rund zehn Metern Entfernung mit schleifender Leine auf den eigenen Rüden zurasen sehen. Seiner Erinnerung nach hätte das andere Herrchen nur die ebenfalls recht lange Leine ergreifen zu brauchen, „aber der hat keinerlei Anstalten gemacht.“ Dann ging laut Schirm alles ganz schnell: der größere Hund ging dem kleineren an die Gurgel, biss zu und schüttelte den eineinhalbjährigen Chihuahua in seiner Schnauze. Erst als Schirm den angreifenden Hund mehrmals mit aller Kraft getreten hatte, ließ der von seinem Opfer ab: „Zuerst hat er das gar nicht registriert, der war im Blutrausch.“
Auch mehrere Tage danach ist Schirm noch schockiert, wie schnell der Angriff abgelaufen sei: Das Ganze, so sollten ihm später andere Leute vom Tennisplatz bestätigen, habe maximal 15 Sekunden gedauert. „Ich selbst stand ja unter Adrenalinschock.“ Was ihn ebenso bestürzt: „Der hat nicht etwa in die Läufe gebissen, wie es etwa Hütehunde tun würden, sondern ist zielstrebig auf die Kehle gegangen – ich hätte nicht gedacht, dass ein Hund so effizient töten kann.“
Als er seinen stark blutenden Hund hochgenommen hatte, kam eine der Tennisspielerinnen herüber und bot an, ihn zum Tierarzt zu fahren. Die 1100 Meter Weg bis dorthin überlebte der kleine Loki nicht – er verblutete noch beim Transport. Die Tierärztin sollte später Lungenbiss diagnostizieren. Den Halter des Hundes hatte Schirm zuvor gebeten, an Ort und Stelle zwecks Aufnahme der Personalien zu warten. Doch als er nach einer knappen halben Stunde wieder am Tennisplatz eintraf, war der Mann schon weg. Augenzeugen hätten berichtet, dass er nach wenigen Minuten gegangen sei, „seelenruhig und ohne den Hund zu tadeln oder zu schimpfen.“ Auch das macht den dreifachen Familienvater fassungslos. Er hat inzwischen die Polizei eingeschaltet, die in einer Pressemitteilung nach Zeugen sucht, die den schwarzen Hund mit weißem Bereich am Bauch, möglicherweise ein Border-Collie Mix oder einem ähnlich aussehenden Hund, gesehen haben oder kennen.
Aber auch Schirm selbst lässt die Tat keine Ruhe. Außer einem Aufruf im sozialen Medium „Facebook“ und Kontaktaufnahme mit Tierärzten und Hundeschulen dreht er mit dem Rad seine Runden in Scheeßel und verteilt Flyer mit einer Personen- und Hundebeschreibung, um Besitzer kleinerer Hunde, aber auch Familien mit kleinen Kindern zu warnen. „Wenn da nochmal etwas passieren würde und ich hätte nicht alles in meiner Macht Stehende getan – das würde ich mir nie verzeihen“, sagt er Und er sucht nach dem „Täter“, weil er seiner zehnjährigen Tochter, die der Tod des vierbeinigen Spielkameraden wohl am meisten aus der Bahn geworfen hat, Gerechtigkeit versprochen hat. Auch sie ging häufiger mit dem Hund allein Gassi – „nicht auszudenken, wenn ihr das passiert wäre“, so Schirm. Im Nachhinein hält er es für pures Glück, dass der fremde Hund ihn bei seiner Intervention nicht ebenfalls angefallen hat.
Die Empathie und Anteilnahme in den Chat-Gruppen ist groß, bisher seien auch schon einige Hinweise eingegangen, „allerdings noch keine zielführenden“, meint Schirm. Auch wenn die Polizei der Angelegenheit durchaus nachgeht, sind den Beamten ein Stück weit die Hände gebunden: „So bitter der Verlust eines Familienmitgliedes ist“, so eine Pressesprecherin der Rotenburger Polizei auf Nachfrage, „rein rechtlich handelt es sich letztlich leider ‚nur‘ um Sachbeschädigung.“ In diesem Rahmen werde auch ermittelt, „natürlich prüfen wir auch immer den Einzelfall.“ Allerdings sei die Suche anhand der wenigen Anhaltspunkte schwierig, „und das ist auch eine Sache der Verhältnismäßigkeit.“ Zwar sei es in jüngster Zeit nicht nur in Scheeßel, sondern auch im Umkreis zu einigen Fällen gekommen, in denen Hunde auffällig wurden, und es seien auch interne Vermerke geschrieben worden, selbst wenn es nicht zu einer Anklage komme, doch „Problemhunde“ seien in Scheeßel derzeit nicht bekannt. Zeugen, die sachdienliche Hinweise zu dem Vorfall am Tennisplatz geben können, werden von der Polizei gebeten, sich unter der Telefonnummer 04261/9470 zu melden.

Loki hatte keine Chance gegen den großen Hund, der sofort zubiss.
Foto: Privat