Wer trinkt, schüttet sein Leben weg. Auch Ute -  die hier natürlich anonym bleiben muss - hat sich mit dem Suff jahrelang ruiniert - bis sie zu den Anonymen Alkoholikern stieß.

Wer trinkt, schüttet sein Leben weg. Auch Ute - die hier natürlich anonym bleiben muss - hat sich mit dem Suff jahrelang ruiniert - bis sie zu den Anonymen Alkoholikern stieß.

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Bremerhaven

Experte schätzt: Etwa 7000 Bremerhavener sind alkoholabhängig

Von Susanne Schwan
21. September 2017 // 19:00

Am Suff ist ihr Leben zerbrochen. Als Ute, 26, vor den Augen ihres Kindes sturzbetrunken auf der Straße zusammenklappt, ist Schluss. Tiefer geht's nicht mehr. Die junge Verkäuferin kommt zum Entgiften in die Klinik. Und findet danach den Weg zu den Anonymen Alkoholikern. Das ist jetzt 29 Jahre her. Heute sagt die 55-Jährige: "Ich bin trocken. Ohne die Anonymen und die Liebe meines Sohnes hätte ich das nicht geschafft."

Die Anonymen Alkoholiker in Bremerhaven haben 1967 die erste Gruppe gegründet

Seit 50 Jahren gibt es die Anonymen in der Seestadt. Das feiern die 15 Gruppen. Angefangen hatte es 1967 mit drei Alkoholsüchtigen, die nach amerikanischem Vorbild eine Selbsthilfegruppe aufmachten. Heute suchen in Bremerhaven rund 150 Männer und Frauen die wöchentlichen "Meetings" in einer der stadtweit verteilten Gruppen auf.

Etwa 7000 Menschen in der Seestadt sind alkoholabhängig

Betroffen von Alkoholsucht aber sind viel mehr Bremerhavener: Etwa 7000, so schätzt Dr. Heiko Heißenbüttel. Der Neurologe und Psychiater ist Leiter des sozialpsychiatrischen Dienstes für Suchtkranke am Gesundheitsamt. Er sagt: "Die Grenze vom Genuss zur Sucht ist fließend. Täglich mehr als ein 0,3 Liter-Glas Bier bei Frauen und doppelt so viel bei Männern gilt als riskant." Ob jemand  davon eine Abhängigkeit entwickelt oder auch nicht, hängt laut Heißenbüttel von individuellen Faktoren ab.

Verschiedene Gründe führen zu Alkoholsucht

"Psychische, körperliche und auch neurobiologische Ursachen sind ausschlaggebend für die Alkoholsucht", sat der Mediziner. Auch die sozialen Rahmenbedingungen spielen eine Rolle. "All das ist aber auch ausschlaggebend dafür, ob jemand aus der Sucht aussteigt."

Saufen für das Selbstwertgefühl

Ute, die Textilverkäuferin, ist vor 29 Jahren ausgestiegen. "Ich hatte einen Rückfall", erzählt sie. Aber seither ist sie trocken. Warum sie soff? "Ich war ein scheues, stilles Kind, meine Eltern haben auch schon viel Alkohol getrunken. Als ich 16 wurde, hab ich die erste Flasche Kellergeister-Wein gekauft. Danach fühlte ich mich gut, so stark und sicher. Das sollte so bleiben." Darum trank sie weiter. Sehr bald sehr viel härteres Zeug.

Regelmäßige AA-Gespräche schaffen Stabilität

Nach dem Crash wagte sie den Schritt zu der Bremerhavener AA-Gruppe in Lehe. Seitdem kommt sie regelmäßig. Bis auf eine Ausnahme: "Nach zehn trockenen Jahren, dachte ich, ich kann bei AA aussteigen. Das war falsch. Ich kam in einen Trockenrausch, alles war mir schietegal, ich kam nicht mehr aus dem Bett, wurde antriebslos. Ich begriff, die regelmäßigen Gespräche bei den Anonymen geben mir die Stabilität, um mein Leben zu bewältigen."

Jüngere Betroffene entscheiden sich immer öfter für Online-Meetings

Seit das Gesundheitssystem nach einer Entgiftung deutlich längerer psychologische Nachbehandlungen gewährt, sagt die Sprecherin der AA Bremerhaven, "kommen weniger Betroffene zu uns. Die Ärzte empfehlen heute auch nicht mehr, in eine Selbsthilfegruppe zu gehen. Statt dessen entscheiden sich Abhängige immer mehr fürs Online-Meeting. Aber der persönliche, menschliche Kontakt ist unverzichtbar, um trocken zu bleiben."

Zentrale Kontaktstelle an der Hafenstraße steht jedermann offen

Die Anonymen stehen jedermann offen, unabhängig von Religion, Nationalität und Weltanschauung. Sie beziehen ihre finanziellen Mittel ausschließlich aus den Spenden der Mitglieder,  Spenden Außenstehender werden nicht angenommen. Seit Jahren besteht auch die Gruppe Al-Anon für die Angehörigen von Alkoholkranken und -gefährdeten. Und eine Gruppe für die Kinder alkoholkranker Eltern. Eine reine Frauengruppe trifft sich immer donnerstagsabends in der zentralen Kontaktstelle, Hafenstraße 176. Hier gibt es auch alle Informationen: Telefon: 0471/ 19295.

Informationstag am Sonntag, 24. September, am SZ Geschwister Scholl

Am Sonntag, 24. September, lädt die AA-Vereinigung Bremerhaven zum 50-jährigen Bestehen zum Informationstag ein: Am Schulzentrum Geschwister Scholl, Walter-Kolb-Weg 2, können Betroffene und ihre Angehörigen ab 10 Uhr verschiedene Meetings besuchen, und ab 15 Uhr referiert ein Arzt über "AA-Ein Weg aus der Einsamkeit".

Wer trinkt, schüttet sein Leben weg. Auch Ute -  die hier natürlich anonym bleiben muss - hat sich mit dem Suff jahrelang ruiniert - bis sie zu den Anonymen Alkoholikern stieß.

Wer trinkt, schüttet sein Leben weg. Auch Ute - die hier natürlich anonym bleiben muss - hat sich mit dem Suff jahrelang ruiniert - bis sie zu den Anonymen Alkoholikern stieß.

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