
Lange Wege, wenige Pflegekräfte und eine alternde Bevölkerung führen dazu, dass die ambulante Pflege vielerorts an ihre Grenzen stößt.
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Pflege im ländlichen Raum: Warum 24-Stunden-Betreuung oft die einzige Lösung ist
In den dünn besiedelten Regionen Norddeutschlands, von Ostfriesland bis zur Uckermark, wird die Versorgung pflegebedürftiger Menschen zu einer immer größeren Herausforderung. Während in den Städten ambulante Pflegedienste meist noch erreichbar sind, geraten viele Dörfer und Kleinstädte in eine Versorgungslücke.
Lange Wege, wenige Pflegekräfte und eine alternde Bevölkerung führen dazu, dass die ambulante Pflege vielerorts an ihre Grenzen stößt.
Im ländlichen Norden leben viele ältere Menschen allein, oft in Häusern, die sie seit Jahrzehnten bewohnen. Die Kinder sind längst weggezogen, die Nachbarn selbst hochbetagt. Wenn dann der Alltag nicht mehr allein zu bewältigen ist, beginnt für viele Familien die Suche nach Unterstützung. Doch genau die fehlt immer häufiger.
Fachkräftemangel und lange Wege erschweren die Versorgung
Der Mangel an Pflegekräften ist bundesweit spürbar, trifft aber den ländlichen Raum besonders hart. In strukturschwachen Kreisen wie Lüchow-Dannenberg oder dem Kreis Nordfriesland sind die Wege weit, die Zahl der Pflegekräfte gering. Viele Dienste nehmen keine neuen Patienten mehr auf, weil das Personal fehlt oder die Anfahrtszeiten zu lang sind. Wer etwa in einem kleinen Dorf im Wendland lebt, kann nicht darauf zählen, dass morgens und abends jemand zuverlässig zum Waschen, Anziehen oder zur Medikamentengabe kommt.
Die wenigen verbliebenen Pflegedienste müssen ihre Touren so planen, dass möglichst viele Menschen in kurzer Zeit versorgt werden. Das bedeutet oft: Zehn Minuten für die Körperpflege, fünf Minuten für die Tabletten, dann weiter zum nächsten Haus. Menschliche Zuwendung bleibt dabei auf der Strecke. Angehörige berichten immer wieder, dass sie trotz Pflegedienst selbst einspringen müssen – weil Termine ausfallen oder weil mehr Hilfe gebraucht wird, als der Dienst leisten kann. Die Buchung einer 24-Stunden-Betreuung kann hier sinnvoll sein.
Angehörige am Limit – wenn die Familie nicht mehr kann
Viele Familien versuchen jedoch zunächst, die Pflege selbst zu stemmen. Oft sind es die Ehepartner, manchmal die Kinder, die regelmäßig anreisen. Doch gerade im ländlichen Raum ist das kaum durchzuhalten. Die Wege sind weit, die Belastung groß, und nicht selten sind die pflegenden Angehörigen selbst schon älter oder gesundheitlich angeschlagen.
Hinzu kommt, dass viele Berufstätige zwischen Job, eigenem Haushalt und Pflege pendeln. Wer in Hamburg arbeitet, aber die Mutter in Mecklenburg versorgen soll, steht vor einer kaum lösbaren Aufgabe. Die Folge: Angehörige geraten an ihre Grenzen, werden selbst krank oder müssen Beruf und Pflege unter einen Hut bringen – ein Spagat, der oft nicht gelingt.
Pflegeheim als letzter Ausweg – aber nicht für jeden die beste Lösung
Wenn die ambulante Pflege nicht mehr ausreicht und die Familie überfordert ist, bleibt oft nur der Umzug ins Pflegeheim. Doch das ist für viele ältere Menschen ein schwerer Schritt. Das vertraute Zuhause, der eigene Garten, die Nachbarn – all das aufzugeben, fällt schwer. Besonders auf dem Land, wo die Bindung an Haus und Hof oft über Generationen gewachsen ist, empfinden viele den Heimaufenthalt als Verlust von Heimat und Selbstbestimmung.
Zudem sind Pflegeheime in ländlichen Regionen oft weit entfernt. Wer in einem kleinen Dorf lebt, muss mitunter 30 oder 40 Kilometer zur nächsten Einrichtung fahren. Für Angehörige bedeutet das lange Anfahrtswege, für die Pflegebedürftigen Isolation von der gewohnten Umgebung. Wartelisten und hohe Kosten kommen hinzu. Nicht selten gibt es schlicht keinen freien Platz in erreichbarer Nähe.
24-Stunden-Betreuung zuhause – eine menschlichere Alternative
In dieser Situation rückt die 24-Stunden-Betreuung zuhause in den Fokus. Dabei lebt eine Betreuungskraft im Haushalt der pflegebedürftigen Person und übernimmt Unterstützung im Alltag, von der Körperpflege bis zum Kochen und zur Begleitung bei Arztbesuchen. Besonders im ländlichen Raum, wo ambulante Dienste fehlen und Pflegeheime weit entfernt sind, ist diese Form der Betreuung oft die einzige Möglichkeit, ein Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Die pflegebedürftige Person bleibt in ihrer vertrauten Umgebung, der Tagesablauf kann individuell gestaltet werden, und Angehörige werden entlastet. Gerade für Menschen mit Demenz ist die Orientierung im eigenen Haus unverzichtbar. Auch der Kontakt zu Nachbarn, Freunden und Haustieren bleibt erhalten – ein wichtiger Faktor für das Wohlbefinden.
Wer übernimmt die 24-Stunden-Betreuung?
In den meisten Fällen kommen Betreuungskräfte aus Osteuropa, vor allem aus Polen, Rumänien oder Bulgarien. Sie wohnen mit im Haus, sind rund um die Uhr erreichbar und übernehmen sowohl pflegerische Aufgaben als auch hauswirtschaftliche Tätigkeiten. Vermittelt werden sie von spezialisierten Agenturen, die für die Auswahl, Anreise und Organisation sorgen.
Für viele Familien ist das eine große Erleichterung. Die Betreuungskraft wird Teil des Haushalts, es entsteht ein persönliches Verhältnis, das weit über die reine Dienstleistung hinausgeht. Gerade im ländlichen Raum, wo soziale Kontakte oft rar sind, wird die Betreuungskraft nicht selten zur wichtigen Bezugsperson.
Herausforderungen und Grenzen der 24-Stunden-Betreuung
So entlastend die 24-Stunden-Betreuung auch ist, sie bringt eigene Herausforderungen mit sich. Die Betreuungskraft lebt im selben Haus, was für beide Seiten Anpassung erfordert. Sprachbarrieren, unterschiedliche Gewohnheiten und die Abgrenzung von Freizeit und Arbeitszeit sind Themen, die immer wieder auftauchen.
Auch rechtlich ist die Situation nicht immer einfach. Die Betreuungskräfte dürfen keine medizinische Pflege im Sinne der Behandlungspflege übernehmen, sondern vor allem bei alltäglichen Verrichtungen helfen. Für Aufgaben wie das Setzen von Spritzen oder die Versorgung von Wunden muss weiterhin ein ambulanter Pflegedienst hinzugezogen werden – sofern einer verfügbar ist.
Zudem ist die Finanzierung eine Hürde. Zwar gibt es Pflegegeld und andere Leistungen, doch die Kosten für eine 24-Stunden-Betreuung übersteigen diese oft deutlich. Viele Familien müssen privat zuzahlen, was nicht für jeden machbar ist. Dennoch entscheiden sich immer mehr Menschen für diesen Weg, weil die Alternativen fehlen.
Ein Modell mit Zukunft?
Obwohl die 24-Stunden-Betreuung im ländlichen Raum oft die einzige Lösung ist, bleiben viele Fragen offen. Die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen sind nicht immer klar, die Belastung für die Betreuungskräfte hoch. Dennoch zeigt sich: Ohne diese Form der Betreuung wäre die Versorgung vieler älterer Menschen im ländlichen Norden kaum mehr möglich.
Die Politik ist gefordert, die Bedingungen zu verbessern – durch mehr Unterstützung für Familien, eine bessere Bezahlung und Qualifizierung der Betreuungskräfte und den Ausbau ambulanter Strukturen. Doch solange Pflegekräfte fehlen und die Wege weit sind, bleibt die 24-Stunden-Betreuung zuhause für viele Familien im Norden die einzige Alternative zum Heim – und für viele ältere Menschen der einzige Weg, ihren Lebensabend in vertrauter Umgebung zu verbringen.