Broilers-Frontmann Sammy Amara: „Hab mich angheört, wie ein tollwütiges Schwein“

Broilers-Frontmann Sammy Amara: „Hab mich angheört, wie ein tollwütiges Schwein“

Die Düsseldorfer Punkband Broilers rockt seit mittlerweile 30 Jahre die Republik. Im Interview spricht Frontmann Sammy Amara über die Anfänge der Band, das aktuelle Best-of-Album und seiner Teilnahme an der Vox-Sendung „Sing mein Song“.

„Wir mögen das Norddeutsche sehr“

Broilers Sänger Sammy Amara im Interview

Die Broilers - manche sagen, das ist bekannteste unbekannte Band. Mittlerweile blicken die Düsseldorfer auf eine 30-jährige Bandgeschichte mit insgesamt drei Nummer-eins-Alben zurück. Sänger Sammy Amara ist derzeit zudem bei der Vox-Sendung „Sing meinen Song“ zu sehen und hat kürzlich seine erste Solo-Single veröffentlicht. Grund genug, den 44-Jährigen mal für ein Interview anzufragen, dass er unserer Redaktion dann auch gerne zugesagt hat.


Zu eurem 30-jährigen Bestehen habt ihr euch und euere Fans mit dem Best-of-Album „Jolly Good Fellas“ beschenkt. Wie schwer war die Auswahl, welche Titel auf das Album kommen?

Wir haben im Proberaum immer eine Liste hängen, die in drei Spalten unterteilt ist. A, B und C. Das sind eigentlich Set-Listen der Live-Konzerte. Da sind Lieder dabei, die musst du einfach spielen. Und daran haben wir uns bedient. Auf der A-Liste sind die „Must Haves“, auf der B-Liste die Songs, die immer gut funktionieren und auf der C-Liste die Exoten. Von allen Listen ist etwas dabei, wir wollen ja die ganze Band-Geschichte abbilden.

Dann müsste das Album ja eigentlich noch viel mehr Songs haben…

Stimmt, aber da ist man physikalisch gebunden, sprich: eine Schallplatte darf ja eine bestimmte Spielzeit nicht überschreiten, damit sie überhaupt noch klingt.

Es sind also Lieder rausgefallen, die eigentlich drauf gehört hätten?

Ja, leider. „Dumm und glücklich“ ist solch ein Song. Der musste leider runter, weil andere doch wichtiger waren.

Zehn Lieder habt ihr auf dem Album noch einmal ganz neu eingespielt. Warum?

Weil wir den inneren Wunsch hatten, dass wir die einfach mal in ein besseres musikalisches Gewand packen. Früher haben wir selber leider sehr viel am Mischpult herumgespielt und haben gedacht, wir wissen es besser, was natürlich nicht der Fall war. Und meine Stimme hat sich in den Jahren doch sehr verändert. Die ist von sehr grölig immer natürlicher, oder sagen wir mal melodischer geworden. Und mit den alten Aufnahmen war ich irgendwie dann auch nicht mehr happy.

Wie kam es überhaupt dazu, dass du dich stimmlich so verändert hast?

Guck mal, wir haben als Oi-Punk-Band angefangen und da gehörte das Grölen in gewisser Weise dazu. Ich war ein pubertierender Jugendlicher, war unsicher, die Bomberjacke zu groß und das Grölen hat einen so ein bisschen härter gemacht, als man ist. Das kollidierte dann mit unserem Wunsch, melodiöser zu werden und andere Gesangsbögen zu nutzen. 2004 kam das dann beim Album „LoFi“ zusammen und was dabei rauskam am Ende, das war einfach für mich persönlich grausam zu hören. Einerseits will ich melodisch singen, wie eine Band wie Tiger Army, andererseits gröle ich dann rum, das hört sich irgendwie an wie so ein tollwütiges Schwein, also jetzt nicht so gut.

Hast du einen absoluten Broilers-Lieblingssong?

Es gibt diverse, aber viele finden sich auf dem Album „Noir“. Ich liebe die „Noir“, das ist vielleicht meine Lieblings-Broilers-Platte. Aber auch auf der „Puro Amor“ sind Sachen drauf, die mir persönlich wichtig sind.

Als ihr angefangen habt, Mitte der 90er - wart ihr ja noch im Teenie-Alter, es war die Zeit der Boygroups und des Euro-Dance. Wie seid ihr da beim Punkrock gelandet?

Die Sozialisation musikalisch begann bei mir auch irgendwie mit Pop als Kind, Michael Jackson, New Kids on the Block und dann bin ich eines Abends bei MTV hängengeblieben, als die Sendung „Headbangers Ball“ lief, richtig Heavy Metal also. Das hat mich ziemlich begeistert. Dann tauchten irgendwann die Toten Hosen auf meiner Bildfläche auf, musikalisch - und das hat noch einmal alles verändert. Und dafür bin ich auch dankbar. Punk war etwas, was ich auch umsetzen konnte. Ich hätte niemals diese Riffs von AC/DC oder Gitarrensolos von Slayer nachspielen können. Aber die Toten Hosen und die Songs, die sie damals gecovert haben – Ramones, Blitzkrieg Bop, mit drei Akkorden – das habe ich verstanden.

Düsseldorfer „New Kids“ von Düsseldorfer Punk-Legenden inspiriert also...

Sozusagen, ja. Absolut.

Aktuell machst du beim Vox-TV-Format „Sing meinen Song“ mit – eine Sendung, bei der die Emotionen immer ziemlich hochkochen. In den bisherigen Folgen sieht man einen Sammy, der sich sichtlich wohlfühlt mit den anderen Künstlern aus anderen Musikgenres. Wie würdest du diese Erfahrung beschreiben, die du dort in Südafrika gemacht hast?

Immer, wenn ich das sehe – man muss wissen, wir haben die Folgen vorab nicht sehen können – fühlt sich das immer wieder so gut und warm an. Das ganze Ding würde ich zusammenfassen als eine der besten Erfahrungen, die ich musikalisch bisher gemacht habe. Es war ein totales Geschenk, diese Menschen sind meine Freunde und Freundinnen geworden. Wir haben uns total wohl und sicher miteinander gefühlt und wir haben das absolut genossen. Es war einfach schön. Ich freue mich, wenn das im Fernsehen bei allen Zuschauern auch rüberkommt.

Absolut. Ich finde, man spürt die Harmonie unter euch förmlich...

Das ist schön.

Mit Sammy Amara (links) ist erstmals ein Punkrocker in der Vox-Sendung „Sing meinen Song“ gemeinsam mit Eva Briegel, Eko Fresh, Peter Maffay, Johannes Oerding, Joy Denalane, Tim Bendzko und Emilio zu sehen.

© Markus Hertrich/RTL

Mit Sammy Amara (links) ist erstmals ein Punkrocker in der Vox-Sendung „Sing meinen Song“ gemeinsam mit Eva Briegel, Eko Fresh, Peter Maffay, Johannes Oerding, Joy Denalane, Tim Bendzko und Emilio zu sehen.

Die Sendung ist ja eine absolute Liebeserklärung an die Musik im Allgemeinen. Wie wichtig ist Musik für einen Berufsmusiker privat?

Musik ist für mich immer noch das aller allerwichtigste. Musik ist für mich die wichtigste Kunstform, die es gibt. Es gibt nichts, was so unmittelbar Emotionen in mir hervorrufen kann.

Was für Musik hörst du gerne?

Gestern habe ich mir eine Playlist zusammengestellt, die habe ich „Summer Pop“ genannt. Da ist dann einfach alles dabei. Songs, die dich umarmen, von Jazz über Elektro – mit Einfluss aus den 80er Jahren, da sind Punk-Nummern dabei, Hardcore ist dabei. Ich kann mit dem Finger nicht auf ein Genre zeigen, was es zwingend für mich sein muss. Die Frage ist immer: Macht der Song etwas mit mir oder nicht.

Gerade erst hast du deine erste Solo-Single „Rede von Reue“, eine feinfühlige Ballade, veröffentlicht. Startet Sammy Amara jetzt mit einem Album solo durch?

Das habe ich auf jeden Fall in Planung. Ich möchte da jetzt sukzessive dran weiterarbeiten. Ich kann noch gar nicht sagen, wann ich plane, was zu veröffentlichen. Dieses „Rede von Reue“-Ding war – wie man als Gastronom sagen würde – ein Soft-Opening. Das ist ganz bescheiden unter dem Radar erschienen, einfach zum herauszufinden, was denken denn die Leute darüber. Was ich aber jetzt schon als Demos auf der Festplatte habe, gefällt mir ganz gut. Das ist musikalisch vielleicht etwas anders, so dass ich es nicht durch Broilers-Fleischwolf drehen wollte. „Rede von Reue“ ist ja noch ziemlich nah an Broilers, würde ich sagen.

In diesem Jahr ist es tourmäßig eher ruhig. Neben zwei Warm-up-Konzert in Düsseldorf stehen Konzerte bei „Rock am Ring“ und „Rock im Park“ an. Und natürlich das große Geburtstagskonzert in Berlin. Was dürfen die Fans dort erwarten?

Also da drehen wir quasi alles noch einmal auf links. Da wird sich keiner in der Band schonen. Es ist das letzte Broilers-Konzert für längere Zeit, weil wir uns danach in eine Pause verabschieden, um in uns zu gehen, uns zu sammeln. Wichtig auch, damit ich wieder neuen Input bekomme, um neue Sachen zu schreiben.

Bleiben wir mal bei den Festivals. Da habt ihr ja auch bei uns im Norden schön häufiger eure Visitenkarte abgegeben, sei es beim „Deichbrand“ in Nordholz oder beim „Hurricane“ in Scheeßel. Wenn du auf die beiden Festivals schaust, hast du einen Favoriten?

Ist schwer zu sagen. Beide haben durch das Norddeutsche eine eigene Art, die wir sehr mögen. Dieser Singsang in der Stimme, die herrlich freche Schnauze, das mögen wir sehr. Aber einen Favoriten aus beiden habe ich nicht. Beide sind gut.

Die Line-ups bei den Festivals haben sich in den vergangenen Jahren ganz schön gewandelt. Weniger Gitarre, mehr Elektro. Weniger Gesang, mehr Rap. Gefällt dir das bunt Gemischte auf den Festivals?

Ich fand es schon immer komisch, dass es lange Zeit 80 Prozent nur Rock- oder Metal- oder Punkfestivals gab. Dann hattest du noch den Summer-Jam oder ein Hip-Hop-Festival, aber ich habe damals schon nicht verstanden, warum es so wenig divers ist. Das hat sich gewandelt, was gut ist. Aber auch hier gilt es zu beobachten, wie lange das gut geht. Ab welchem Moment wird es zu viel, ab welchem Moment wird es zu beliebig? Und gibt es vielleicht eine Rückbewegung, weil man sagt: Wacken ist halt so stark, weil es sich treu bleibt? Man muss einfach beobachten, man muss viel ausprobieren, aber man darf auf keinen Fall sagen: Weil du Popmusik hörst, darfst du keine Open-Air-Festivals genießen.

Broilers ist eine Band, die immer Haltung gezeigt hat. Gesellschaftliche und politische Themen werden in Liedern oder auf Konzerten angesprochen, und die Menschen aufgefordert, Flagge zu zeigen. Angesichts der ganzen Übergriffe auf Politiker, welche Flagge muss die Gesellschaft jetzt hissen?

Wir Menschen sollten verstehen, dass die Demokratie unbedingt schützenswert ist. Wir Menschen sind, wie wir sind. Wir funktionieren einfach nicht auf Goodwill. Die Pandemie hat uns das leider auch gezeigt: Die Rücksichtnahme auf den Gegenüber funktioniert leider nicht so gut. Deshalb muss die Demokratie geschützt sein. Die Menschen sollten erkennen, dass ihre sogenannten Protestparteien am Ende immer nur destruktiv sind. Es gibt von diesen Parteien keine positiven Vorschläge. Es gibt – speziell von dieser einen – kein Wille zur Verbesserung. Diese Parteien leben nur aus dem Negativen, nur durchs Kritisieren.

Seit 30 Jahren geben sie ihren Fans mächtig auf die Ohren: Die Düsseldorfer Punkrock-Band die Broilers.

© Robert Eikelpoth

Seit 30 Jahren geben sie ihren Fans mächtig auf die Ohren: Die Düsseldorfer Punkrock-Band die Broilers.

Macht es dir Angst, dass die AfD trotz ihrer offensichtlichen rechtsextremen Haltung noch so viel Zuspruch im Volk hat?

Unbedingt, unbedingt. In Düsseldorf gibt es zum Beispiel eine Aktion „Kein Bier für Nazis“. Und dann schreiben Leute drunter: „Auch gut zu wissen, dann weiß ich, welches Bier ich nicht mehr ausschenke.“ Ist es einem Wirt, der das schreibt, dann also lieber, Nazis zu bewirten, als diese Aktion hinzunehmen? Ich kann es nicht verstehen. Ist diesen Leuten Nazi kein Begriff mehr? Schauen diese Menschen nicht in die Geschichtsbücher? Es ist ja nicht so, dass es damals knüppelhart anfing wie es geendet ist. Es fing ja ganz mild an, genau wie es jetzt beginnt.

Du erkennst also Parallelen zur Weimarer Republik?

Absolut. Und ja, das macht mir Angst.

Dass die AfD jetzt auch weiter vom Verfassungsschutz beobachtet werden darf, weil sie als rechtsextremer Verdachtsfall gilt, war für dich bestimmt eine gute Nachricht. Bist du dafür, dass jetzt auch ein Verbotsverfahren gegen die AfD angestrengt wird?

Ich bin hin- und hergerissen. Eine ganze Zeit lang habe ich gedacht, nein, das muss die Demokratie aushalten. Es ist aber so, dass diese Partei Demokratie zersetzend ist. Und sie verhält sich auch so. Auch hier muss man wieder Parallelen ziehen, einfach 100 Jahre zurückblicken. Wenn man dieser Partei und ihren Mitgliedern gewisses ermöglicht, können sie von innen heraus das ganze System aushöhlen. Das muss man erkennen. Und am Ende wurde eine Partei wie die NPD auch verboten. Auch wenn die AfD immer noch gemäßigte Mitglieder in ihren Reihen hat, duldet sie ja schließlich Rechtsradikale. Und dann ist das am Ende scheißegal. Wenn einer im Auto furzt, stinkt die ganze Karre. So ist das einfach.

Du hast als Sohn eines irakischen Vaters in deiner Jugend auch Stigmatisierung erlebt. Was macht das mit einem, wenn man in Teilen der Gesellschaft als „irgendwie anders, irgendwie nicht richtig deutsch“ gilt?

Ich habe mir dann später meine ganzen Tattoos zugelegt, um diese Deutungshoheit selbst zu bekommen. Wenn mich jemand für die Tattoos verurteilt – was soll ich tun. Das habe ich mir selber ausgesucht, das ist völlig in Ordnung. Ich würde deswegen niemals „Mimimi“ machen. Was ich aber nicht richtig finde, wenn man Menschen verurteilt aufgrund eines Merkmals, das sie nicht selbst herbeigeführt haben: die Haarfarbe, der Ort der Geburt, wen man liebt etc. Das entscheiden Menschen nicht, das passiert. Das ist keine Bewertungsgrundlage.

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Erstellt:
19.05.2024, 12:00 Uhr
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