Comiczeichner Ralf König: „Lucky Luke fand ich erotisch“

Comiczeichner Ralf König: „Lucky Luke fand ich erotisch“

Er ist der vielleicht bekannteste deutsche Comiczeichner: Ralf König, dessen lustige Bildergeschichten über schwule Männer seit vielen Jahren das Publikum und die Kritik gleichermaßen begeistern. Zu seinem 65. Geburtstag haben wir mit ihm gesprochen

„Lucky Luke fand ich erotisch“

Interview mit Comiczeichner Ralf König - Er erfand den „bewegten Mann“

Herr König, zu Ihrem 65. Geburtstag erscheint am 5. August Ihr neues Buch mit dem ungewöhnlichen Titel „Pflaumensturz und Sahneschnitten“. Was ist damit gemeint?

Das ist ein Jubiläumsband, den der Verlag mir auf die Geburtstagstorte legt. Der Titel, okay, „Sahneschnitten“ dürfte klar sein, schöne Männer, was sonst? Aber „Pflaumensturz“, tja… als ich mit den Comics anfing Anfang der Achtziger, war das im Dortmunder Schwulenzentrum ein gängiger Begriff für Nervenzusammenbruch oder so. Das war übrigens das einzige Wort, das mein Lektor mich bat, aus einer Sprechblase in meinem Buch „Der bewegte Mann“ auszutauschen. Ich hab dann „Ich krieg ‚ne Krise“ daraus gemacht. Er stellte sich wohl etwas sehr Versautes darunter vor, keine Ahnung, was. Wegen „Pflaume“ oder so. Ich kenn mich da nicht so aus.

Als Ihr erstes Buch 1981 erschien, war noch der Paragraph 175 in Kraft, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte. Wollten Sie damals mit Ihren lustigen Comics ein Zeichen fürs Schwulsein setzen oder ging es hauptsächlich um gute Unterhaltung?

Letzteres. Ich war als Teenager auf dem Dorf in Ostwestfalen beeindruckt von den amerikanischen Underground-Comics, Robert Crumbs „Fritz the Cat“ und so. Sowas wollte ich auch machen, Comics für Erwachsene. Und weil ich schwul bin, wurden das halt schwule Comics. Was ich damit bewirkt habe, war mir damals nicht bewusst, es gab ja kein Internet und kaum Feedback. Aber heute kriege ich das sehr oft gesagt, dass meine Comics da draußen eine wichtige Coming Out-Hilfe waren. Es gab ja damals für Schwule nicht viel zu lachen, da kam ich mit den Knollennasen genau richtig. Aber ich war nie Aktivist, ich wollte auch nie primär aufklären. Ich wollte nur coole Comics zeichnen.

Sie waren als Kind Fan von den „Peanuts“ und von „Lucky Luke“, an denen Sie sich anfangs auch orientiert haben. Warum haben es Ihnen diese beiden so angetan?

Die „Peanuts“ habe ich natürlich schon sehr früh gelesen, in der Tageszeitung und im „Stern“. Charles Schulz war in vielem vorbildlich, ohne dass ich das bewusst gemerkt hätte: Timing, Mimik, Körpersprache, wie man Pointen setzt. Und „Lucky Luke“ war von Morris einfach herrlich gezeichnet, das sieht aus, wie schnell mit Tuschefeder hingekritzelt. Das liebe ich, das Spontane im Strich. Da war später auch Claire Bretécher mit ihren „Frustrierten“ unschlagbar! Heute arbeiten Kollegen meistens am Tablet, also technisch. Dadurch wird alles viel zu rund und perfekt, mit knalligen Farben, die alles zusuppen. Mich langweilt das. Ich steh auf Minimalismus, wie bei meinem österreichischen Kollegen Nikolas Mahler: ein hochgezogener dicker Strich, oben eine Nase dran, fertig. Genau das ist hochkomisch!

Sind Charlie Brown und Lucky Luke in Wirklichkeit vielleicht schwul?

Nö. Warum sollten sie? Die Peanuts kamen nicht mal in die Pubertät! Aber Lucky Luke hatte diese feinen schwarzen Härchen im Nacken, das fand ich als Kind schon sehr erotisch. Allerdings hatte er keine Brustwarzen. Die Comicfiguren damals hatten nie Nippel, auch die Männer nicht. Die hab ich immer mit Buntstift drauf gemalt, weil ich dachte, die hat man vergessen. Wie kann man denn Nippel vergessen?

Um Ihre zum Teil sehr eindeutigen Zeichnungen gab es in mehr als 40 Jahren immer mal wieder Ärger, wenn sich Sittenwächter darüber aufgeregt haben. Juckt das heute überhaupt noch jemanden, wenn in einem Comic gezeigt wird, wie zwei Männer intim sind?

Nachdem das Bayerische Landesjugendamt Mitte der Neunziger daran scheiterte, mein Buch „Bullenklöten“ indizieren zu lassen, interessierte das tatsächlich niemanden mehr. Der Freispruch der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften in Bonn las sich fast wie eine Kaufempfehlung! Ich hoffe, das bleibt auch so, mittlerweile bewegt sich ja einiges wieder ins Verbissene. Ich hab nie verstanden, was an meinen Zeichnungen pornografisch sein soll.

Der Ärger kommt mittlerweile aus einer ganz anderen Ecke, wie man hört: Die LGBTQ-Bewegung soll nicht immer ganz glücklich über Ihre Arbeit sein. Stört Sie das und inwieweit fühlen Sie sich dieser Szene zugehörig?

Ich fühle mich da nur bedingt zugehörig, das beruht aber auf Gegenseitigkeit. Auf den queeren Büchertischen, die zum CSD gestapelt werden, sind meine Comics so gut wie nie dabei. Klar, ich bin ein schwuler alter Sack und kenne mich mit schwulen Männern ungefähr meiner Generation etwas aus. Die hatten auch immer den Humor und die Selbstironie, die ich meinte. Wie gesagt, ich bin kein Aktivist, ich schreibe mir überhaupt nicht auf die Fahne, alles in der LGBTQ*-Szene abzubilden. Ich habe wenig Ahnung von Transleuten und gar keine von Nichtbinären, da hat man schnell was Falsches geschrieben und dann gibt‘s Shitstorm! Wenn mir was dazu einfällt wie in meinem letzten Buch „Harter Psücharter“, gerne, aber ich mache mir das nicht zur Aufgabe. Da kann gern mal der Nachwuchs ran, aber genau den sehe ich kaum. Ich glaube, derbe Cartoons traut sich heute kaum noch jemand. Das ist bedenklich. Selbstironie ist gesund und wichtig.

Schwul sein ist heute glücklicherweise viel akzeptierter als früher. Was bedeutet das für Ihre Arbeit, fehlen Ihnen da manchmal vielleicht auch Reibungspunkte?

Bei mir geht es meist um was anderes, nur mein Personal ist meistens ganz unaufgeregt schwul, weil ich es ja nun mal bin. Aber es geht im Grunde um Zweierbeziehungen, Umgang mit Monogamie und Sex, unglücklich verliebt sein und Shakespeare oder Aristophanes oder den Apostel Paulus, um menschliche Evolution, um Tausendundeine Nacht, um die Homo-Ehe oder auch damals HIV oder zuletzt Corona. Da reibt sich genug. Schwul als Thema ist zum Glück uninteressant.

Sie sind ein großer Shakespeare-Fan: Wieviel „Hamlet“ oder „Macbeth“ steckt in Ihren Figuren?

Ich habe eine ganze Sammlung von Shakespeare-Verfilmungen auf DVD, ich mag die poetische Sprache und die menschlichen Abgründe in den Geschichten. Mit meinem Buch „Jago“ habe ich damals mehrere Tragödien zu einem Comic verwurstet. Aber das war‘s auch schon. Meine Figur Paul sitzt nur auf dem Sofa und wird langsam grau und dick und er kämpft mit der Midlifecrisis, das hat nicht unbedingt Shakespearsche Tiefe. Zu viel Cholesterin und zu wenig Testosteron ist irgendwann banaler Alltag von uns allen. Aber das ist natürlich auch hochdramatisch.

Einem großen Publikum wurden Sie in den neunziger Jahren bekannt, als Ihr Comic „Der bewegte Mann“ mit Til Schweiger und Katja Riemann verfilmt wurde. War es schön, plötzlich ein Star mit viel Geld zu sein – oder hatte der Ruhm auch Schattenseiten?

Viel Geld haben mit dem Film andere gescheffelt. Ich war damals so dumm, einen für mich ungünstigen Filmvertrag ungeprüft unterschrieben zu haben. Hurra, da wollen welche mein Buch verfilmen, geil, wo ist der Kugelschreiber? Wobei ich sagen muss, dass mit diesem Erfolg von sechseinhalb Millionen Zuschauern auch niemand gerechnet hatte. Wäre ich da mit 50 Pfennig an jeder Kinokarte beteiligt gewesen, hätte ich nichts dagegen gehabt. Aber zum Glück ärgere ich mich über sowas nicht lange. Ich bin eher dankbar, dass sich meine Comics auch nach über 45 Jahren noch verkaufen und ich davon leben kann. Und als Star hab ich mich nie gefühlt. Meine Nasen sind bekannter als meine Nase.

Wie fanden Sie den Film und Til Schweiger eigentlich?

Ich habe dem Film natürlich viel zu verdanken, aber ich fand ihn mitsamt Til Schweiger eher okay als geil. Ich hab darüber lang und breit geschwafelt, es ist ein bisschen nervig, immer auf diesen Film angesprochen zu werden. In jedem Artikel steht hinter meinem Namen in Klammern „Der bewegte Mann“. Als hätte ich nach 1987 nicht bessere Geschichten erzählt.

Ihre Comics werden nicht nur von Schwulen, sondern auch von Heteros und vor allem von vielen Frauen geliebt. Wie kommt‘s?

Ich denke, meine Nasen haben ein beneidenswert lockeres Verhältnis zu sexuellen Themen, die schwafeln auf dem Sofa über Peinlichkeiten und Pannen beim Sex oder zu hohe Erwartungen und darauf folgenden Frust, aber vor allem über viel hemmungslos Genüssliches dabei. Das ist Heteros so nicht oft gegeben. Bei mir treffen Männer aufeinander, das ist was anderes als bei den Verschiedenheiten der Geschlechter mit der ständigen Gefahr, sich falsch zu verhalten oder toxische Macht auszuüben. Ich bin jedenfalls sehr froh, dass ich schwul bin und kann jedem Mann nur raten, es mir gleichzutun, haha.

Warum gibt es deutsche Comics wie Ihre eigentlich nicht mit heterosexuellen Protagonisten – oder habe ich da was übersehen?

Tja, wenn ich all das, was meine schwulen Nasen so treiben, Frauen angetan hätte, wäre ich der Shitstorm-Superkandidat! Es gibt durchaus erotische Comics von heterosexuellen Zeichnern, aber da geht‘s meistens nur um geile nackte Weiber und das ist schnell einfach nur schlüpfrig.

Buch von Ralf König

© Story House Egmont / Ralf König

Ralf König

Zum Weiterlesen

Ralf König, Alex Jakubowski: Pflaumensturz und Sahneschnitten – 65 Jahre Ralf König. Mit einem ausführlichen Interview von Journalist und Comic-Experte Alex Jakubowski. 192 Seiten. Egmont Comic Collection. Berlin 2025. Gebundene Ausgabe: 35 € (ISBN 978-3-7704-1165)

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Erstellt:
05.08.2025, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 5min 37sec

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