Depeche Mode trotzen dem Tod und feiern in Hamburg das Leben

Depeche Mode trotzen dem Tod und feiern in Hamburg das Leben

Für die norddeutschen Fans war die aktuelle Welttournee von Depeche Mode bisher vor allem eins: Eine Geduldsprobe. Unter den sieben Open-Air-Terminen im vergangenen Sommer war nicht eine Show im Norden. Das Warten hat ein Ende.

Depeche Mode trotzen dem Tod

Bei der Hamburg-Station feuert die britische Synth-Rock-Band aus allen Rohren

Entsprechend aufgeladen ist die Stimmung, als die britische Synth-Rock-Band an diesem Sonnabendabend in Hamburg zu Gast ist. Die ersten Synthesizer-Sounds werden von ohrenbetäubendem Jubel übertönt. Die Show beginnt industriell und düster, bedrohlich und kalt mit „My Cosmos Is Mine“ und „Wagging Tongue“ – die beiden ersten Stücke ihres aktuellen Albums „Memento Mori“. Von Kritikern gefeiert, erreichte es hierzulande Platz 1 der Charts. Es ist das erste Album der Band seit dem Tod von Gründungsmitglied Andrew Fletcher, der im Mai 2022 im Alter von nur 60 Jahren überraschend an einem Riss in der Hauptschlagader starb. Und so spielt der Tod an diesem Abend zwangsläufig eine große Rolle. Zu „Enjoy The Silence“ ziert ein Totenkopf die Leinwand, bei „Before We Drown“ vom neuen Album ertrinkt gar jemand im tosenden Meer und das Stück „Behind The Wheel“ widmet Sänger Dave Gahan „unserem Bandkollegen und Freund Andrew Fletcher“.

Eine Show, in der Depeche Mode das Leben feiert

Trotzdem ist der Abend alles andere als ein Trauerspiel. Im Gegenteil. „Memento Mori“, das bedeutet laut Multiinstrumentalist Martin Gore zwar so viel wie „Denke daran, dass du sterben musst“, man könne den Titel aber auch positiv verstehen: „Lebe jeden Tag bis zum Maximum“. Und genau das tun Depeche Mode an diesem Abend. Mit ihrer Show feiern sie das Leben. Akustik, Energie, Gestus – es stimmt einfach alles.

Dave Gahan versprüht von der ersten Sekunde an pure Energie

Das Bühnenbild ist dabei eher schlicht. Ein großes M, symbolisch für den Albumtitel, ziert die Bühne. Dahinter befindet sich eine große Leinwand, die aber längst nicht bei jedem Song zum Einsatz kommt. Dazu ein paar Scheinwerfer, mehr braucht es nicht. Denn Dave Gahan strahlt – wie immer – genug. Er sieht nicht nur fantastisch aus, in Glitzerjackett, Hemd und Weste (deren er sich bis auf letztere nach und nach entledigt), sondern er singt auch hervorragend. Und er ist von der ersten Sekunde an pure Energie. Er stolziert, tanzt und gleitet über die Bühne, wirft die Arme in die Luft, schwenkt die Hüften und dreht sich wie ein Wirbelwind im Kreis. Große Posen, die vom Publikum immer wieder euphorisch belohnt werden: Je lasziver die Gesten, desto größer der Jubel.

Ein musikalischer Ritt durch 40 Jahre Bandgeschichte

Unterstützt werden Gahan und Gore von Schlagzeuger Christian Eigner und Keyboarder Peter Gordeno – und der Sound ist großartig. Peitschende Drums treffen auf wabernde Synthies und messerscharfe Gitarrenriffs. Gemeinsam geht es quer durch die mehr als 40 Jahre währende Bandgeschichte. Ein Hit folgt dem nächsten: „Walking In My Shoes“, „Policy Of Truth“, „Precious“, „I Feel You“, „A Pain That I’m Used To“, „Stripped“. Die Songs „Strangelove“ und „Heaven“ performt Martin Gore alleine, nur vom Klavier begleitet, und klingt dabei ebenfalls großartig. Bei „Everything Counts“ derweil gerät das Publikum so sehr in Wallung, dass der sonst eher wortkarge Gahan sich zu einem „so viel besser als Berlin“ hinreißen lässt. Dort hatte die Band jüngst den Auftakt ihrer Deutschlandtour gefeiert.

Der Tod des einen, verbindet die verbliebenen anderen

Bei den Zugaben „Just Can’t Get Enough“, Never Let me Down Again“ und „Personal Jesus“ gibt es schließlich kein Halten mehr. Dave Gahan läuft noch mal den ins Publikum ragenden Steg hinunter und lässt sich feiern. Er hat ihn in den vergangenen zwei Stunden kaum benutzt. Fast hat man das Gefühl, er wolle bewusst in der Nähe von Gore bleiben. Das Verhältnis der beiden war nicht immer einfach. Andrew Fletcher galt als der Klebstoff in der Band, der sie in schwierigen Zeiten zusammengehalten hat. Doch durch seinen Tod, das ist in der Barclays-Arena offensichtlich, sind Gahan und Gore näher zusammengerückt. Immer wieder suchen sie Blickkontakt, nehmen sich in den Arm oder geben High Five. Und so fühlt sich dieser Abend an wie der Beginn von etwas Neuem. Diese Band wirkt noch lange nicht, als sei sie fertig.

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Erstellt:
18.02.2024, 13:22 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 05sec

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