Ihr erster Roman: Katja Riemann spricht über ihre literarischen Vorbilder

Ihr erster Roman: Katja Riemann spricht über ihre literarischen Vorbilder

Katja Riemann wagt sich in neue Gefilde und präsentiert ihren ersten Roman. Im Interview spricht die beliebte Schauspielerin über „Nebel und Feuer“ (Verlag S. Fischer, 304 Seiten, 25 Euro) und warum sie keine guten Rollenangebote mehr bekommt.

Habe keine literarischen Vorbilder

Katja Riemann veröffentlicht ihren ersten Roman - Interview mit der Schauspielerin

Frau Riemann, Sie haben mit „Nebel und Feuer“ Ihren ersten Roman geschrieben. Wie kam es dazu?

Ich schrieb mein erstes Sachbuch über humanitäre Arbeit, und da muss man ständig alles doppelt checken, recherchieren, nochmal was lesen, jemandem schreiben, Aufzeichnungen suchen, und ich frug mich: Wie nur muss es sein, wenn man sich einfach etwas ausdenkt, fertig ist die Laube. Ganz egal ob es stimmt, es geht um die Geschichte, die ich frei erfinden kann und werde, das ist erlaubt, mit ausgedachten Figuren, die natürlich dennoch komplex sind, sein müssen und werden, vielschichtig ganz sicherlich, und das Erfinden komplexer Figuren ist ja praktischerweise mein Beruf. Insofern gäbe es an der Stelle Erfahrungswerte, das dachte ich so in den Nächten, in denen ich schrieb, während Berlin schlief, obwohl Berlin naturgemäß, wie New York niemals schläft. Tja, und dann fing ich an. Neue Seite aufgemacht, kostet nix auf dem Computer. Losgelegt. Ich kann Zehnfinger blind, danke Mama.

Hatten Sie einen festen Arbeitsplan für das Buch?

Arbeitsplan? Was ist das genau? Also einchecken zur Arbeit und dann Mittagspause, Beine vertreten, weiterschreiben? Ich glaube, Thomas Mann, der ja ein echter Schriftsteller war, hat so geschrieben. Er hatte auch einen Schreibtisch, der war aus schwarzem Holz und ein Arbeitszimmer mit einer abschließbaren Tür, durch die, so stelle ich es mir vor, der Tumult der Welt nicht mehr hindurchdrang. Ich schreibe sozusagen überall und kann sehr gut im Tumult der Welt schreiben. Café, sag ich mal. Oder anders, besseres Beispiel: Das Kapitel über den Kongo in meinem ersten Sachbuch „Jeder hat. Niemand darf. Projektreisen“ habe ich in Marrakesch geschrieben, da saß ich immer wieder auf dem Rooftop inmitten der Altstadt von Marrakesch. „Nebel und Feuer“ habe ich tatsächlich im Jahr 2019 begonnen, stellen Sie sich das mal vor, das war noch vor Corona.

Welches sind Ihre literarischen Vorbilder?

Oh. Ich glaube, die gibt es nicht. Ich möchte doch nicht imitieren. Das könnte ich auch gar nicht. Es ist verrückt, diese Vorbilder-Sache, die werde ich auch als Schauspielerin gefragt, also jetzt nicht mehr, als angehende, junge oder jüngere Schauspielerin. Ich verstehe die Frage, glaube ich, nicht. Die fragt man so hin, kapiere ich, aber was will man da wissen, was ist die Essenz dessen, was da gefragt wird? Und was ist ein Vorbild? Vorbildliches Verhalten beispielsweise, das verstehe ich, da habe ich ein Bild in mir, das Bild des Vorbilds. Dass man achtsam wäre, freundlich, Gewalt und Korruption aus seinem Leben eliminierte, loyal seinen Liebsten und Kolleg:innen gegenüber sei. Aber in der Kunst oder nein, im Leben eigentlich, zumindest so, wie ich es kenne und lebe, glaube ich, ist es eher die Inspiration, die Essenz hat. Was oder wer inspiriert mich. Ich will ja nicht sein wie. Ich will ja ich selbst werden.

Im Roman bringen Naturkatastrophen die Welt an den Abgrund. Was hat Sie daran gereizt, eine dystopische Geschichte zu erzählen?

Es ist keine dystopische Geschichte, bitte verzeihen Sie, dass ich das sage. Es geht um Liebe, Trennung, um die Frage, wie man herausfindet, ob man ein Selbstmörder ist, in weiblich oder auch männlich, es geht um das Verschwinden aus einer Beziehung, um Freundschaft, vor allem Verbundenheit und das Auflösen derselben, um Kummer – und Humor – als bestes Gegengift dafür, es geht sehr sehr viel um Musik und um das Singen als Anker, es geht um einen kleinen Hund und um das Verschwinden in Gefängnisse, das Verschwinden in das Leben nach dem Tod und die Frage, wie die Übriggebliebenen, die Weiterleben-Müssenden damit nun verfahren, mit dem Verlust. Es geht um den Vierklang der in dem Bungalow, dem Hexenhaus auf dem Land sich versammelnden Frauen zu Zeiten eines unfreiwilligen digitalen Detoxes und der vollkommenen Abgeschnittenheit von Information, sodass sie nicht wissen, dass die Welt möglicherweise brennt. Und ja, es geht auch um das Verschwinden in eine Naturkatastrophe hinein, was aber nichts mit Dystopie zu tun hat, denn alles, bis auf eine Sache, was ich da beschreibe, beruht auf Fakten. Ich habe lediglich wahre Ereignisse gleichzeitig stattfinden lassen, das ist das Gute als Sachbuchautorin, da weiß man zu recherchieren. Daher – es ist am Ende wohl ein Liebesroman.

Im Buch legt sich ein bedrohlicher Nebel um die halbe Welt. Steht dieser Nebel für die zunehmende Unübersichtlichkeit, in der wir leben?

Also, wenn ich jetzt sagte, wofür der Nebel steht, dann wäre es ein bisschen so, als würde ich Ihnen das Ergebnis der Matheaufgabe mitteilen. Ich glaube, ich fände es schön, dass die Lesenden sich selbst ein Bild und Gedanken machen, was dieser Nebel, vielleicht gab es ja auch gar keinen, für sie bedeutet, was er mit ihnen macht, ich möchte das nicht spoilern, es gibt genug Hinweise meinerseits innerhalb des Buches, aber wäre es nicht schön, man würde bis dahin hinlesen? Er steht jedenfalls nicht für die Unübersichtlichkeit, in der wir leben, weil ich auch nicht genau weiß, was das sein soll.

Im Buch geht es auch um Freundschaft, die enge Verbundenheit von vier Frauen. Haben Sie viele Freundinnen und wie wichtig sind sie Ihnen?

Das ist schön, dass Sie das so sagen und bemerkt haben. Ja, im zweiten Teil des Buches sind, wie ich schon erwähnte, die vier Frauen essentiell, ihre Auseinandersetzung mit Verlust, der sich unterschiedlich darstellt. Sie stellen sich Fragen, warum voll Unachtsamkeit gewisse Sätze und Aussagen getätigt werden, die aber beim Gegenüber emotionale Reaktionen auslösen, mit denen dann ja auch irgendwie umgegangen werden muss. Sie sprechen über ihre verlorenen Lieben, ihre Mütter, ihre Väter, ihre Ehe, verwenden den Gesang als Anker, lernen von Jackson Katz über Feminismus, bauen einen Komposthaufen und weinen oder machen Witze, wenn es zu schlimm wird. Sie versuchen vermutlich den Nebel zu durchstreifen, der in uns sitzt, um zu verschleiern, was weh tut, und ich glaube, es gelingt ihnen, weil sie in diesem Vierklang zusammenschwingen, da wird Verantwortung ein bisschen verteilt, sodass jede die eigene besser tragen kann. Sowas in die Richtung habe ich versucht, es ist dabei sehr lustig geworden. Das ist wichtig, finde ich, der Ton meines Buches verliert nie den Humor. Anders könnte ich es vermutlich auch nicht.

Kann es auch platonische Freundschaften zwischen Frauen und Männern geben?

Na klar! Das wäre ja schrecklich, wenn es das nicht gäbe. Es gibt doch nicht nur die romantische Liebe oder die erotische Verbundenheit. Ich habe sehr enge männliche Freunde, egal ob heterosexuell oder queer. Meinen Sie, dass es Menschen gibt, die keine Freunde oder Freundinnen des gegenteiligen Geschlechts haben? Im Ernst? Das gibt es?

Gibt es schon Pläne für einen zweiten Roman?

Das kann ich nicht sagen, aber was ich verraten kann und darf, ist, dass ich an meinem nächsten Sachbuch sitze, was vermutlich mein persönlichstes Buch werden wird, in dem es um meine Großmutter geht, die von den Nazis ermordet wurde. Ich hoffe, es ist in Ordnung für Sie, wenn ich nicht mehr dazu sage. Das Buch wird wieder bei S. Fischer erscheinen.

Und wie geht es mit der Schauspielerei weiter, gibt es spannende neue Film- oder Serienprojekte?

Das ist sehr interessant, dass Sie das fragen, weil ich jetzt tatsächlich in einem Alter bin, in dem die Filmwirtschaft, die Filmschaffenden Deutschlands jedenfalls nichts mehr mit mir anzufangen wissen. Jetzt, da ich denke, okay, nun habe ich wirklich meine Schauspielerei geschärft, jetzt, wo ich vom Gesellen zum Meister meines Handwerks wurde sozusagen, da gibt es keine Rollen mehr, außer, dass es Geschichten wären, in denen dann vor allem thematisiert wird, dass Frauen irgendwie älter werden und das problematisch ist für sie selbst, ihren Ehemann und die Gesellschaft, sodass man, wie Kolleg:innen, die vor allem ihre Herkunft schauspielerisch darstellen sollen, hauptsächlich sein Alter spielt – als Thema und Geschichte. Das ist natürlich relativ einfallslos und ein bisschen traurig, daher mache ich hauptsächlich Theater zu meiner großen Freude. Ich spiele am Maxim Gorki Theater in Berlin zwei Stücke, eines von Sibylle Berg: „Und sicher ist mit mir die Welt verschwunden“, inszeniert von Sebastian Nübling, und „Linkerhand“, basierend auf dem gleichnamigem Roman der deutschen Schriftstellerin Brigitte Reimann, inszeniert von Sebastian Baumgarten. Im Herbst werde ich die Uraufführung des neuen Stückes von Sibylle Berg am Staatsschauspiel Hannover, gemeinsam mit der Regisseurin Lena Brasch auf die Bühne bringen. Es ist also viel los und alle sind von Herzen willkommen, sich die Vorstellungen anzusehen.

Katja Riemann mit ihren Schauspielkollegen Jürgen Vogel (rechts) und Richy Müller.

© Ursula_Düren

Bei der Vorstellung des Film „Die Apothekerin“ im Jahr 1997: Katja Riemann mit ihren Schauspielkollegen Jürgen Vogel (rechts) und Richy Müller.

Katja Riemann.

© Jan Woitas

Die deutsche Schauspielerin Katja Riemann spricht auf der Literaturbühne von ARD, ZDF und 3sat auf der Leipziger Buchmesse. Auf dem Frühjahrstreffen der Buchbranche präsentieren sich über 2000 Aussteller aus 40 Ländern mit ihren Neuheiten. +++ dpa-Bildfunk +++

Zur Person

  • Katja Riemann kam 1963 als Tochter eines Lehrer-Ehepaares im niedersächsischen Weyhe zur Welt und absolvierte ihre Schauspielausbildung in Hannover und München. Sie drehte zunächst fürs Fernsehen, eine ihrer ersten Rollen hatte die damals völlig unbekannte Schauspielerin 1989 in einem Schimanski-„Tatort“.
  • Mit Kinokomödien wie „Der bewegte Mann“ wurde Riemann in den 90er Jahren berühmt. Seitdem wirkte sie in zahlreichen Kino- und Fernsehfilmen mit, feierte aber auch als Sängerin und Buchautorin Erfolge.
  • Zuletzt war sie in der Science-Fiction-Serie „Reset – Wie weit willst du gehen?“ zu sehen. Die 61-Jährige hat eine erwachsene Tochter aus einer früheren Beziehung, die als Schauspielerin und Regisseurin arbeitet. Katja Riemann lebt in Berlin.

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Erstellt:
20.04.2025, 19:00 Uhr
Lesedauer: ca. 5min 49sec

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