Wenn Romeo zum Lauch wird
Wer sich daran stört, dass einer der bekanntesten Schriftsteller der Welt weiß-blondierte, hochgestylte Haare hat, sein weißes Hemd locker aus der Jeans hängt und er mit Silber-Glitzer-Lederweste und Sneaker daherkommt, dem wird es eventuell nicht gefallen, dass William Shakespeare auf den Tisch springt und „Larger Than Life“ von den Backstreet Boys grölt. Wer sich auf das, und all das, einlässt, wird mit „& Julia“ den besten Musical-Abend überhaupt haben. Am Mittwoch feierte das umwerfende Broadway-Musical seine Deutschlandpremiere. Wo? Na klar. Auf der Hamburger Reeperbahn.
Die Geschichte beginnt mit einem Ehestreit
Es beginnt mit einem Ehestreit zwischen William Shakespeare und seiner Frau Anne Hathaway. Sie hat die Nase voll davon mit ihren gemeinsamen Kindern stets allein zu sein und hat kurzerhand einen Babysitter organisiert, um ihrem Mann mal unter dir Arme zu greifen. Der Schluss von Romeo und Julia könne doch nicht sein Ernst sein, das geht besser, findet sie. „I Want It That Way“ betont er und tippt bei jedem Refrain beharrlich auf sein Notizbuch. Sie weiß es besser und zerreißt Shakespeares eigensinnige Romantik. Und der Song der Backstreet Boys macht mit, als wäre er nur für diese Episode geschrieben worden. Anne Hathaway setzt sich durch und das Stück nimmt seinen neuen Lauf. Nach dem Tod von Romeo darf Julia weiterleben und erstmal den Verlust ihrer großen Liebe verarbeiten: „Oh baby, baby, I shouldn‘t have let you go“. Britney Spears. Trennungsschmerz und Herzschmerz können die 90er Popsongs. Bei der Beerdigung wird klar: Julia war nicht die einzige in Romeos Leben. Drei Gespielinnen tanzen leidend auf Romeos Sarg, irgendwann besteht der Chor aus sieben Verflossenen. „Show Me the Meaning of Being Lonely“. Backstreet Boys.
Gute Musik aus den 90ern und jede Menge Humor
28 Songs voller Liebesbekundungen fließen passgenau in die Story von „& Julia“ ein. Die weltbekannten Nummer-Eins-Hits von Max Martin, die ursprünglich von Künstlern wie Britney Spears, Kelly Clarkson oder Katy Perry gesungen wurden, werden im Musical genutzt, um die Reise von Julia und die Wendungen der Handlung musikalisch zu untermalen. Das funktioniert beeindruckend gut. Und wenn es mal ein wenig plump daherkommt, ist das so urkomisch, dass es wieder verdammt gut funktioniert. Etwa, wenn Julia, die Romeo immerhin nur vier Tage kannte, nach nur einer Nacht erneut heiraten will. „Oops! … I Did It Again“. Britney Spears.
Sowieso, das Musical strotzt nur vor Humor. Dazu passen auch die Outfits, die alles andere als historisch genau sind. Eine farbenfrohe und gewagte Mischung, die Renaissance-Kleider stumpf mit modernen Einflüssen kombiniert. Da werden historische Gewänder mit clubtauglichen Bomber- oder Lederjacken, glitzernden Stoffen und Sneakern kombiniert.
Romeo wird als „Lauch“ abgestempelt
„& Julia“ ist eine Parodie auf William Shakespeare. Stempelt Romeo als „Lauch“ ab und gibt Julia zwei „Besties“ an die Seite. April und May. May ist Julias bester Freund und bringt eine neue Dimension in die Geschichte, da er als nicht-binäre Figur dargestellt wird. Sein Gewand ist ein stylischer Dieter-Bohlen-lila-Trenchcoat-Verschnitt. Alles nicht in Shakespeares Sinne. Anne Hathaway ist verzückt: „Wenn wir hier fertig sind, sollten wir alle deine Stücke umschreiben“.
Ein Dancefloor auf einem Renaissance-Ball in Paris. Der Beat dröhnt, die Scheinwerfer kreisen. Julia schwebt am Kronleuchter über die tanzende Meute. Es ist alles ein Witz. Und dann wieder nicht. Dann geht es unter die Haut. Etwa, als May zwischen Selbstfindung und Akzeptanz steht. „I‘m Not a Girl, Not Yet a Woman“. Britney Spears.
Toller Cast: Willemijn Verkaik brilliert als Anne Hathaway
Bram Tahamata als May ist brillant. Der gesamte Cast ist brillant. Allen voran die überaus zauberhafte Willemijn Verkaik als Anne Hathaway. So wunderbar zynisch, selbstbewusst und arrogant. Ebenso Andreas Bongard als Shakespeare oder Chiara Fuhrmann als Julia. Ihre Stimmen sind gewaltig, und können absolut mit den großen Stars wie Céline Dion, Katy Perry, Justin Timberlake oder Kelly Clarkson mithalten.
Das Original „& Juliet“ wurde vor fünf Jahren im Londoner West End uraufgeführt. Nach weiteren Produktionen am New Yorker Broadway, sowie in Kanada, Australien und Singapur ist Deutschland das sechste Land, in dem „& Julia“ zu sehen ist. Das Musical ist ein energiegeladenes Spektakel, das Shakespeares tragische Heldin in einem völlig neuen Licht zeigt. Alles daran ist gut. Auch das Bühnenbild, was fast in Vergessenheit gerät bei solch einer Pophymnen-Dichte, ist schön anzusehen. Alles dreht und kreist sich in Perfektion zum nächsten Szenenbild. Während William Shakespeare als Kutscher auf einem Fahrrad-Karussellpferd die neue Julia und ihre Freunde nach Paris bringt, dreht sich um sie herum Metrozeichen, Eiffelturm und holländische Mühlen. Eine Mondschaukel führt gen Himmel, Rauchfontänen schießen, Konfetti flattert.
Romeo singt „It‘s My Life“ von Bon Jovi
Und die Story gerät Anne Hathaway und William Shakespeare im Streit ins Absurde. Romeo lebt! Sein Schriftzug dominiert die Bühne, an einem Rosenkranz schwebt er von der Decke. Der Chor ruft Romeo Romeo. Er singt „It‘s My Life“. Bon Jovi.
In einem Setting voller Glamour, mit schönen Kostümen und einem absolut genialen Ensemble, das nicht nur großartige Stimmen, sondern auch komödiantisches Talent beweist, kann die Story nicht absurd genug sein, und die Popsongs nicht bekannt genug. & Julia hat alles, was ein Musical braucht. Und mehr.
Mehr Infos und Tickets unter: www.musicals.de