Ein Abend der großen Stimmen
Die 1901 uraufgeführte Oper „Rusalka“ ist unter den zehn Bühnenwerken Dvoráks die erfolgreichste. Sie gehört zum Repertoire aller großen Opernhäuser und wurde jetzt auch in Bremerhaven aufgeführt. Dvorák bezeichnete sein Werk als „lyrisches Märchen“.
Werk voller Gleichnisse über Beziehungen
Die Handlung um die Nixe Rusalka, die sich in einen Prinzen verliebt und deshalb selbst ein Mensch werden möchte, ist vordergründig ein hochromantisches Märchen, aber auch ein Werk voller Gleichnisse über Beziehungen und unerfüllbare Erwartungen.
Ein Wesen zwischen den Welten
Rusalkas Ausflug in die Menschenwelt scheitert an gegenseitigem Unverständnis. Auch wenn Rusalka unglücklich und enttäuscht in ihr Wasserreich zurückkehrt, bleibt sie auch dort eine Fremde, ein Wesen zwischen den Welten.
Üppige Orchestersprache und expressive, hochemotionale Gesangspartien
Auch Komponisten wie E.T.A. Hoffmann, Albert Lortzing oder Alexander Dargomyschski haben den Stoff vertont, aber Dvoráks „Rusalka“ ist trotz einiger liedhafter Melodien (etwa dem berühmten „Lied an den Mond“) vor allem „große Oper“ mit einer an Wagner erinnernden, üppigen Orchestersprache und expressiven, hochemotionalen Gesangspartien.
Wer in Wohlklang schwelgen und sich an großen Stimmen erfreuen möchte, ist in der „Rusalka“-Produktion des Stadttheaters bestens aufgehoben.
Differenzierter Klangzauber hat großes Format
Was Marc Niemann und das Philharmonische Orchester Bremerhaven an differenziertem Klangzauber bescherten, hatte ganz großes Format. Wuchtige, intonationssichere Blechbläser, ein seidiger Streicherklang und eine kluge Vorbereitung manch hochdramatischer Ausbrüche zeichneten die in jeder Hinsicht hörenswerten Wiedergabe aus.
Heibergs Sopran stößt auch an exponierten Stellen nicht an Grenzen
Mit Signe Heiberg als Rusalka und Konstantinos Klironomos als Prinz standen hervorragende Protagonisten zur Verfügung. Beide zusammen hatten sich schon bei der Spielzeiteröffnung als Tosca und Cavaradossi nachdrücklich bewährt. Heiberg stieß mit ihrem üppig aufstrahlenden Sopran auch in exponierten Stellen nie an Grenzen und bewahrte auch in extremer Lage ihren Wohlklang.
Stimme wird mit lyrischem Feinschliff geführt
Heiberg sang so intensiv als ginge es um ihr Leben. Gleichzeitig konnte sie (etwa in „Lied an den Mond“) ihre Stimme mit lyrischem Feinschliff führen. Ihre Darstellung der unglücklichen Rusalka traf unmittelbar ins Herz. Auch Klironomos konnte als Prinz mit nie ermüdender, wenn auch manchmal etwas druckvoll produzierter Strahlkraft überzeugen. Ein Tenor mit eindrucksvollen Spinto-Qualitäten. Als Wassermann war Ulrich Burdack zu erleben. Er erfüllte die Partie im Rahmen seiner Möglichkeiten sehr achtbar, auch wenn im 3. Akt die Höhe nicht mehr so recht ansprach. Als Bühnenfigur war er mit seinem auf hässlich gemachten Kostüm aber sehr präsent. Boshana Milkov als Hexe und Julia Mintzer als aufreizende Fürstin erfüllten ihre Aufgaben sehr gut. Das gilt auch für Marcin Hutek als Heger und Jäger.
Sonderlob für das neckende Elfen-Trio
Ein Sonderlob gilt dem mit Victoria Kunze, Minji Kim und Maria Rosenbusch besetzen Elfen-Trio. Wenn sie am Beginn den Wassermann necken, ist es wie bei Alberich und den Rheintöchtern. Der Chor wurde wie immer zuverlässig von Mario El Fakih Hernández einstudiert.
Die Inszenierung von Johannes Pölzgutter und die Ausstattung von Michael Lindner bewahren den märchenhaften Charakter des Werks. Ein Seeufer mit Naturimpressionen am Rundhorizont, effektvolle Lichtstimmungen und ein leicht dem Verfall ausgesetztes Schloss des Prinzen geben den Rahmen. Pölzgutter erzählt die Handlung spannend und nachvollziehbar.
Geschickte Befreiung vom Fischschwanz
Sehr geschickt wird die Verwandlung Rusalkas gezeigt, wenn die Hexe sie von ihrem Fischschwanz befreit. In der Hexe sieht der Regisseur ein Wesen, das früher ein ähnliches Schicksal erfahren hat. Sie und Rusalka tragen am Ende das gleiche Kleid und wirken fast wie Mutter und Tochter. Der Prinz stirbt nicht durch Rusalkas Kuss, sondern erdolcht sich selbst. Dadurch opfern sie sich gegenseitig, ein Happy End ist das aber trotzdem nicht.
Insgesamt ist „Rusalka“ eine Produktion, die musikalisch höchste Ansprüche erfüllt und auch szenisch überzeugt. (yvo)
Die weiteren Termine
7. Januar, 15 Uhr; 12. Januar, 19.30 Uhr; 20. Januar, 19.30 Uhr; 9. Februar, 19.30 Uhr, Stadttheater Bremerhaven.

© Sandelmann
Das Elfen-Trio in Aktion: Marcin Hutek (Jäger), Minji Kim (2. Elfe), Maria Rosenbach (3. Elfe) und Victoria Kunze (1. Elfe)