„Wir sind alle alte Profis“
Doch dann schlucken sie im Kinofilm „Weißt du noch?“, der am 10. Januar im Ersten als Free-TV-Premiere zu sehen ist, eine Wunderpille, und siehe da: Längst vergessene Ereignisse tauchen wieder auf und sorgen für gute Laune. Leider sind den beiden aber auch plötzlich wieder Erinnerungen präsent, die alles andere als angenehm sind. Martin Weber hat mit Berger über den Film gesprochen.
Frau Berger, Sie sind nur noch selten in Film und Fernsehen zu sehen. Wie hat es Regisseur Rainer Kaufmann geschafft, Sie für die Tragikomödie „Weißt du noch“ als Hauptdarstellerin zu gewinnen?
Martin Rauhaus hat ein sehr gutes Drehbuch geschrieben, an dem kein Komma geändert werden musste. Wir hatten außerdem einen sensiblen, einfallsreichen Kameramann, Martin Farkas. Und mit Rainer Kaufmann hatte ich schon bei „Operation Zucker“ gut gearbeitet. Wir vertrauen einander.
Die andere Hauptrolle spielt Günther Maria Halmer, mit dem Sie in Ihrer langen Karriere schon oft vor der Kamera gestanden haben. Wie war das Wiedersehen?
Als ob wir uns gestern gesehen hätten. Gemeinsame Arbeit verbindet.
Sie beide und auch Regisseur Kaufmann sind alle alte Profis, um es mal salopp auszudrücken. Funktioniert da die Zusammenarbeit ganz reibungslos oder gibt es auch Kabbeleien am Set?
Die Zusammenarbeit funktionierte so gut, weil wir „alte Profis“ sind. Hätten wir Meinungsverschiedenheiten gehabt, hätten wir sie schon vor Drehbeginn diskutiert. „Alte Profis“ wissen, was Diskutieren während der Arbeitszeit kostet. Jede Stunde ist teuer.
Im Film geht es um ein Paar, das sich nach langjähriger Ehe auseinandergelebt hat. Sie waren selber sehr lange mit Regisseur Michael Verhoeven verheiratet, der dieses Jahr gestorben ist. Wie viel Erfahrungen aus der eigenen Ehe bringt man in eine solche Rolle ein?
Mein Mann Michael Verhoeven und ich haben eine andere Geschichte als Marianne und Günter. Aber natürlich nimmt man seine Lebenserfahrungen in den Beruf mit. Das lässt sich gar nicht verhindern und sollte auch nicht verdrängt werden. Ich spiele heute ganz anders als vor 30 Jahren.
Die oftmals vergesslichen Eheleute erinnern sich im Film dank einer Wunderpille plötzlich wieder an Meilensteine ihrer Partnerschaft, schöne und weniger schöne. Würden Sie eine solche Erinnerungspille schlucken, wenn es sie gäbe?
Ja. Ich würde mich gerne an früher erinnern. Am liebsten würde ich zurück in meine Kindheit gehen, als ich noch ganz unbewusst gelebt habe. An meine Anfänge am Theater in Wien würde ich mich gerne genauer erinnern. Vieles weiß ich noch, den Geruch meiner kleinen Garderobe am Theater habe ich noch in der Nase. Aber wie war ich mit meinen 17 Jahren?
„Ich bin mein Erinnern“, sagt der Kirchenvater Augustinus. Welche Erinnerungen sind Ihnen am wichtigsten?
Die Kategorie „Wichtigste“ passt nicht ganz. Manche Erinnerungen überfallen einen, die fragen nicht, ob sie die „wichtigsten“ sind. Plötzlich gehe ich meinen Schulweg in die Volksschule, und ich habe in diesem Moment überhaupt nicht daran gedacht und frage mich, was diese Bilder ausgelöst hat. Wenn meine Söhne bei mir sind, erinnern wir uns dagegen ganz bewusst an ihre Kindheit. Ich erzähle ihnen von den Zeiten, als sie noch klein waren und unser Haus immer voller Menschen. Meine Eltern lebten bei uns, und wir hatten unsere Filmfirma „Sentana“ im Haus. Oft waren wir 13, 14 Personen zum Mittagstisch. Wie ich das gemacht habe, ist mir ein Rätsel.
Und wie wichtig ist es, das ein oder andere im Leben auch wieder zu vergessen?
Ich weiß nicht, wie es anderen Menschen geht, aber ich kann meinen Erinnerungen nicht befehlen. Die steigen in mir auf, wenn sie es wollen. Auch die, die mich an kleinere oder größere Katastrophen erinnern. Darunter welche, die mir heute noch so unangenehm sind, dass ich feuchte Hände bekomme.
Was war Ihre wichtigste und schönste Rolle?
Ich habe das Glück, sehr verschiedene Rollen gespielt zu haben. „Die Schnelle Gerdi“ ist nun wirklich nicht zu vergleichen mit der Eva Prohacek in „Unter Verdacht“ oder mit Frau Böhm in „Frau Böhm sagt Nein“. Alle diese Rollen habe ich gerne gespielt. Wie soll ich da Ihre Frage beantworten?
Aus der Öffentlichkeit haben Sie sich seit dem Tod Ihres Mannes etwas zurückgezogen. Wie finden das Ihre beiden Söhne Simon und Luca, die ebenfalls beim Film tätig sind? Ermuntern die beiden Sie vielleicht sogar, wieder mehr Filme zu drehen?
Ich werde im Frühjahr 2025 einen Kinofilm mit meinem Sohn Simon drehen. Nach dem Buch „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ von Joachim Meyerhoff. Simon und ich haben bei „ Willkommen bei den Hartmanns“ zusammen gearbeitet, und ich freue mich auf die Dreharbeiten. Ein bisschen bin ich auch aufgeregt. Aber das gehört sich auch so.

© Sven Hoppe
Senta Berger
Zur Persoin
Senta Berger kam 1941 in Wien zur Welt und begann schon als 14-Jährige mit der Schauspielerei. Sie drehte zahlreiche Kinofilme wie „Der brave Soldat Schwejk“ oder „Mit teuflischen Grüßen“ mit Alain Delon, in den Sechzigern arbeitete sie in Hollywood an der Seite von Stars wie John Wayne, Kirk Douglas und Yul Brynner. In den achtziger und neunziger Jahren war sie in Erfolgsserien wie „Kir Royal“ oder „Die schnelle Gerdi“ zu sehen, von 2002 bis 2019 brillierte die Charakterdarstellerin in der Serie „Unter Verdacht“ als sensible Ermittlerin Eva Maria Prohacek. Senta Berger war mit dem Regisseur Michael Verhoeven verheiratet, der im April mit 85 Jahren starb. Sie hat zwei Söhne, die ebenfalls Filmschaffende sind, und lebt in Grünwald bei München.