Ulrike Kriener: „Ich bin nicht so der sentimentale Typ“

Ulrike Kriener: „Ich bin nicht so der sentimentale Typ“

Sie zählt zu den bekanntesten TV-Kommissarinnen im deutschen Fernsehen, doch nach 20 Jahren ist Schluss: Ulrike Kriener hört als Ermittlerin Ellen Lucas auf, die letzte Folge der Krimireihe „Kommissarin Lucas“ ist am 28. Oktober im ZDF zu sehen.

„Nicht so der sentimentale Typ“

Ulrike Kriener macht Schluss mit Ermittlerin Ellen Lucas

Ulrike Kriener gehört zu den vielseitigsten Schauspielerinnen Deutschlands. Sie kam 1954 in Bottrop zur Welt, ihr Vater arbeitete auf einer Zeche, die Mutter war Hausfrau. Sie absolvierte die Schauspielschule in Hamburg, spielte zunächst Theater und hatte ihren Durchbruch 1985 mit der Kultkomödie „Männer“ von Doris Dörrie, in der sie eine Ehefrau auf Abwegen spielte. Immer wieder bewies die 68-Jährige seitdem ihr gutes Händchen bei der Rollenauswahl - so war sie unter anderem in Gerhard Polts Komödie „Herr Ober!“, der Literaturverfilmung „Elementarteilchen“ und der exzellenten TV-Satire „Klimawechsel“ zu sehen. Ulrike Kriener ist mit dem Regisseur und Schauspieler Georg Weber verheiratet, das Paar hat einen Sohn und lebt in München.

Frau Kriener, warum hören Sie nach 20 Jahren als Kommissarin Lucas auf?
Weil man aufhören soll, wenn es am schönsten ist (lacht).

Also war’s zuletzt besonders schön?
Es war die ganze Zeit schön, aber was ich besonders gut fand: Ich hatte die Rolle nie satt. Natürlich hatte ich mir trotzdem schon längere Zeit überlegt, dass es irgendwann ja zu Ende gehen muss. Ich bin jetzt 68 Jahre alt und damit schon deutlich über dem Alter, in dem Angestellte im Öffentlichen Dienst normalerweise aufhören. Auch wenn ich das Thema Alter nicht so streng sehe, mir ist es wichtig, dass wir realitätsnah erzählen, auch wenn wir „nur“ Filme machen. Aber dass Kommissarin Lucas irgendwann mit dem Rollator auf Verbrecherjagd geht, das wollte ich nicht.

Wollten Sie vielleicht verhindern, dass irgendwann ein Senderverantwortlicher sagt, jetzt ist Schluss?
Sicher, ich wollte nicht, dass irgendwer sagt: Nehmt ihr mal die Waffe weg, sie bringt es nicht mehr. Ich wollte das selbstbestimmt entscheiden, und ich wollte auf keinen Fall, dass die Zuschauer:innen irgendwann in der Zeitung lesen, das ZDF hat unsere Krimireihe abgesetzt. Ich wünschte mir einen schönen, geplanten, starken Schluss.

Gab’s Tränen am letzten Drehtag?
Nein, am letzten Drehtag nicht. Aber ich merke jetzt, wenn ich so mit Ihnen darüber rede, dass es mich emotional doch ganz schön anrührt. Wir hatten stärkere Filme in der Reihe und auch mal schwächere, aber die Ellen Lucas, die ich all die Jahre gespielt habe, war immer eine tolle, unabhängige Frau. Also, mit einer kleinen Träne im Auge höre ich schon auf.

Wie war denn der letzte Drehtag?
Ganz normal, wir standen wie immer unter einem gewissen Zeitdruck, und mussten fertig werden. Aber ich hatte mir immer gewünscht, dass es ein großes Fest mit allen Beteiligten gibt, und so ist es gekommen. Wir haben gefeiert, wir haben gut gegessen, und wir hatten eine Band da und haben viel getanzt. Unsere allerersten Produzenten, die schon lange nicht mehr arbeiten, haben bis halb zwei getanzt, es war großartig - genau der Abschied, wie ich ihn mir gewünscht hatte.

Sie sind sich am Ende der Party nicht tränenselig in den Armen gelegen?
Nö, das würde auch gar nicht zu mir passen, ich bin nicht so der sentimentale Typ. Es war ein Abschied mit Freude, nicht mit Tränen. Ein Abschied von einer tollen Phase meines Lebens. Oder besser gesagt: von der Rolle meines Lebens.

Was war besonders schön in den 20 Jahren?
Für mich besonders schön war die Möglichkeit, regelmäßig in einer Krimireihe auftreten zu dürfen, die besonders gut in meine Lebensplanung gepasst hat. Als ich mit „Kommissarin Lucas“ anfing, war mein Sohn sechs Jahre alt und ging gerade zur Schule. Für mich war zu dieser Zeit besonders wichtig, dass ich Berufs- und Privatleben zeitlich gut unter einen Hut bringe, und genau das hat mir die Reihe hervorragend ermöglicht - ein Glücksfall für mich.

Was noch?
Dass ich eine spannende Frauenfigur über einen Zeitraum von 20 Jahren entwickeln und ausdifferenzieren konnte. Dazu kamen die vielen tollen Kollegen und Kolleginnen, die ich bei den Dreharbeiten kennengelernt habe. Wir hatten eine gute Atmosphäre im Team, und jeder, der bei uns neu mitgemacht hat - ob Schauspieler oder Teammitglied - wusste das. Unsere Produktion hatte einen guten Ruf.

Und was war nicht so schön?
Dreharbeiten bei Nacht und im Winter, darauf kann man wirklich verzichten. Wenn Sie nachts bei Schneeregen im November in der Nähe einer lauten Autobahn eine hochemotionale Szene mit Angst und Schrecken spielen müssen, dann ist das nicht einfach. Und ab zwei Uhr nachts denke ich sowieso nur noch ans Bett. Puh, das finde ich schon sehr hart.

Ellen Lucas wird in der letzten Folge nicht erschossen, denn das wollten Sie auf keinen Fall. Warum nicht?
Weil wir in einer Zeit angefangen haben, als oft über starke Frauen gesprochen wurde. Damals gab es noch Hannelore Hoger, Senta Berger, Iris Berben und ein paar andere profilierte Ermittlerinnen im deutschen Fernsehen. Ich finde, zu einer starken Frau gehört auch ein starker Abschluss. Und der muss auch zu der entsprechenden Ermittlerin passen. Das Erschießen finde ich sentimental und hätte überhaupt nicht zu Ellen Lucas gepasst. Und in Zeiten, in denen wir einen Krieg in Europa haben, finde ich das Erschießen noch unangebrachter.

Ihre letzten Worte sind: „Der Esel muss warten“. Das muss man nicht verstehen, oder?
Ich denke, das versteht man schon, weil es sich aus dem Kontext erschließt (lacht).

Und wie geht’s bei Ihnen weiter?
Ich gehe jetzt in eine Lebensphase, in der andere schon ein paar Jahre in Rente sind, und wie Ellen Lucas merke ich natürlich, dass ich älter werde. Aber so etwas wie Ruhestand gibt es für mich nicht, ich habe weiterhin Angebote. Als Nächstes steht eine Komödie an, und für nächstes Jahr sind konkret zwei weitere Filme geplant. Und es gibt ja auch ein Leben neben der Arbeit. Mir wird keinesfalls langweilig. (yvo)

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Erstellt:
26.10.2023, 14:47 Uhr
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