Wachwechsel auf Krimi-Flaggschiff
Es war ein Paukenschlag, als der Bayerische Rundfunk ankündigte: Das Münchner Ermittlerteam Batic und Leitmayr, gespielt von Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl, geht in Rente – nach mehr als 30 Jahren und 100 Fällen, von denen einige Fernsehgeschichte geschrieben haben. Es ist der bisherige Höhepunkt einer Ausstiegswelle bei Deutschlands ältester und beliebtester Krimireihe. Der „Tatort“ steht vor einer Epochenwende.
Die ARD hat es gleich mit mehreren Baustellen zu tun: Überalterte Ermittler, sinkende Zuschauerzahlen und eine Kostenexplosion bei der Produktion der Filme. Als Reaktion darauf bastelt der Senderverbund an frischen Ermittlerteams und anderen Neuerungen. Fest steht: Der „Tatort“ ändert sein Gesicht – ab 2025, spätestens 2026 wird die Krimireihe nicht mehr dieselbe sein wie heute.
Der Umbruch hat schon begonnen. Der Freiburger „Tatort“ mit Heike Makatsch wurde sang- und klanglos eingestellt – kein Geld, sagt der SWR. In Dortmund schrumpft das Ermittlerteam nach dem Ausstieg von Rick Okon noch dieses Jahr von drei auf zwei Köpfe. Maria Furtwängler ermittelt als Kommissarin Charlotte Lindholm künftig wieder alleine und wechselt bei dieser Gelegenheit von Göttingen nach Hannover. Ihre Kollegin Anaïs Schmitz (Florence Kasumba) wechselt vorläufig an die Seite von Wotan Wilke Möhring alias Nord-Kommissar Thorsten Falke.
Der letzte Fall in Frankfurt ist bereits abgedreht
Das Frankfurter Duo hört nach neun Jahren gleich ganz auf – freiwillig: Der letzte Fall mit Wolfram Koch und Margarita Broich ist bereits abgedreht, aber der Verlust ist zu verschmerzen, scheiterten die Hessen-Krimis zuletzt doch öfter an ihren hohen selbstgesteckten Ambitionen. Wer künftig in Frankfurt und Umgebung ermittelt, ist noch unklar.
2025 geht es für den „Tatort“ dann definitiv ans Eingemachte. Wenn Axel Milberg nach mehr als 20 Jahren seinen letzten Fall als Kieler Kommissar Klaus Borowski löst, endet eine Ära. Die jüngere Kollegin des Eigenbrötlers Borowski, Mila Sahin (Almila Bagriacik), macht ab 2026 mit neuem Team weiter. In der TV-Saison 2025/2026 gehen dann auch die Münchner Haudegen Batic und Leitmayr zum hundertsten und letzten Mal seit ihrem Debüt 1991 auf Gaunerjagd.
Der Zahn der Zeit nagt. Mögen die Witzchen manch älterer Ermittler noch so nett sein – ab einem gewissen Alter leider die Glaubwürdigkeit: Nemec/Leitmayr werden bei ihrem letzten Einsatz um die 70 sein, Axel Milberg wird im Sommer 68, Dagmar Manzel (sie hört als Franken-Kommissarin Paula Ringelhahn auf) feiert im Herbst ihren 66. Geburtstag.
Generationenwechsel spart auch Kosten
Stellt sich die Frage: Wie geht es weiter? Schon „Tatort“-Erfinder Gunther Witte hatte mal gesagt: „Der Tatort erfindet sich mit jeder Generation neu“. Es gehe nun darum, als Nachfolger für die alte Garde tolle, bisher weniger bekannte Schauspieler zu gewinnen, die man bisher nicht mit dem „Tatort“ verbindet, sagte Jörg Schönenborn, „Tatort“-Koordinator der ARD, unlängst in einem Interview.
Jüngere Schauspieler können einen Generationenwechsel einläuten und zugleich die Kosten reduzieren. Vor dem Hintergrund der Dauerdebatte um die Rundfunkgebühren müssen die ARD-Anstalten aufs Geld achten. Doch die großen Stars sind teuer, dem Vernehmen nach kassieren zum Beispiel Axel Milberg und Jan Josef Liefers mehr als 100.000 Euro pro Folge, Maria Furtwängler soll sogar mehr als 200.000 Euro verdienen – unbekannte Jungdarsteller wären billiger.
Frische, unverbrauchte Gesichter: das klingt zunächst ganz gut. Doch die vertrauten Teams um Oldie-Ermittler wie Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) in Ludwigshafen und Thorsten Lannert (Richy Müller) in Stuttgart sind für viele Fans mit ein Grund, dem „Tatort“ die Treue zu halten – oder zumindest bei ihren Lieblings-Ermittlern einzuschalten. Niemand weiß, ob die neuen Teams eine ähnliche Zugkraft entwickeln.
Format wird weiterentwickelt
Und das in einer Zeit, in der die Zuschauerzahlen beim „Tatort“ bröckeln und mancher schon das Ende des Hypes ausruft. 2021 schalteten durchschnittlich 9,2 Millionen Menschen pro Folge den Fernseher ein, 2023 „nur“ noch 8,5 Millionen. Derweil ist das Produktionsbudget pro Folge unter anderem durch höhere Energiekosten von rund 1,4 Millionen Euro im Jahr 2017 auf zuletzt 1,94 Millionen Euro gestiegen.
Damit das „Lagerfeuer des Sonntagabends“ weiter lodert, sollen die Krimis für die ARD-Mediathek weiterentwickelt werden, kündigt „Tatort“-Koordinator Schönenborn an. Immerhin erreichte 2023 jede Folge durchschnittlich eine Million Krimifans auf diesem Weg. Voriges Jahr wurde außerdem ein interaktives „Tatort“-Game rund ums Stuttgarter Team entwickelt, um neue Zielgruppen zu erreichen: „Der ‚Tatort‘ möchte auch für junge Leute relevant bleiben“, betont Daniel Stolz von der Innovationsabteilung des SWR.