Warum Michael Mittermeier Angst vor Donald Trump hat

Warum Michael Mittermeier Angst vor Donald Trump hat

Der Comedian Michael Mittermeier hat die Humorlandschaft geprägt wie kaum ein anderer. Im Interview spricht er über seine neuen TV-Shows, wie sich die Comedy verändert hat und warum er so gerne „Germany‘s Next Topmodel“ schaut.

„Comedy muss erst mal gar nichts“

Interview mit Michael Mittermeier

Herr Mittermeier, Sie sind 1996 mit dem Programm „Zapped“ berühmt geworden, in dem Sie das Fernsehen durch den Kakao gezogen haben. Können Sie heute immer noch übers TV lachen?

Das hört nie auf. Über „Germany‘s Next Topmodel“ zum Beispiel kann ich heute noch genauso lachen wie vor 18 Jahren, als die erste Staffel lief. Meine Frau und ich schauen uns die Sendung gemeinsam mit unserer 16-jährigen Tochter an und lästern dabei wunderbar ab. Wir gucken das als Trash, zwei Generationen gemeinsam, und kommentieren die Show. Das ist so lustig, man könnte es live mitschneiden und als Comedy senden.

Sie betreiben in München eine Bühne für Stand-up-Comedians, den „Lucky Punch Comedy Club“, der jetzt zur TV-Show wird. Außerdem präsentieren Sie eine ZDF-Sendung mit deutschen Stand-up-Stars. Was macht diese Form von Comedy so toll?

Stand-up-Comedy ist wahnsinnig unmittelbar. Du stehst da, sprichst in ein Mikro, und die Leute reagieren oder sie reagieren nicht. Das Tolle daran ist, dass du alles aufgreifen kannst, was gerade passiert, sei es in der Politik, sei es in der Gesellschaft. Schräges Beispiel: Ich bin eingeladen zu einer Papst-Audienz, also rein hypothetisch – dann gehe ich in den Club und mache mir auf der Bühne meine Gedanken dazu: Muss ich vorher beichten? Was passiert bei so einer Audienz genau? Und schon entsteht eine lustige Nummer. Auf der Bühne kannst du alles machen, das ist das Coole.

Ist Live-Comedy eine Art Fieberthermometer, das den Zustand der Gesellschaft anzeigt?

Gerade wenn man sich die jüngeren Comedians ansieht, wie sie über ihr Leben reden und wie sie die Welt sehen, ist das gesellschaftspolitisch. Ein 30-Jähriger spricht ja anders über die Welt als man das vor 15 Jahren getan hat, und das sagt schon etwas aus.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Das Thema Gendern zum Beispiel. Ein junger Mensch geht mit anderen Jokes dazu auf die Bühne, wenn er das Thema überhaupt bringt. Der geht da ganz anders ran als Comedians, die schon lange dabei sind und sehr bräsig übers Gendern reden. Die Comedy verändert sich mit der Welt, weil sich die Gesellschaft und mit ihr die Comedians verändern. Wenn man mir vor ein paar Monaten gesagt hätte, dass ich mal eine Nummer über ein paar nach FDP aussehende junge Leute mache, die auf Sylt stehen und zu einem schlechten Techno-Song Naziparolen grölen, hätte ich gesagt: Lass stecken.

Sie meinen den Skandal um die jungen Leute, die in einem Sylter Edelclub ausländerfeindliche Parolen gesungen haben…

Dass sowas passiert, sagt ja etwas aus. Es geht nicht darum, dass diese fünf Leute vernichtet werden, sondern diese fünf Menschen sind ein Beleg dafür, dass es ein entsprechendes Momentum in der Gesellschaft gibt, und als Stand-up-Comedian kann ich auf die Bühne gehen und eine Nummer darüber machen.

Comedian Michael Mittermeier im Jahr 2006 in Hamburg vor dem Quatsch Comedy Club im Cafe Keese.

© Patrick Lux

Comedian Michael Mittermeier im Jahr 2006 in Hamburg vor dem Quatsch Comedy Club im Cafe Keese.

Wie politisch sollte Comedy sein?
In Deutschland wird immer darüber diskutiert, was Comedy soll und darf, was und wie sie sein muss. Sie muss erst mal gar nichts. Comedy sollte lustig sein. Punkt. Im „Lucky Punch Comedy Club“ gehen die Comedians auf die Bühne und sind einfach lustig. Wenn man genau hinhört, kriegt man schon eine Message mit. Wenn einer einfach eine lustige Nummer über irgendein Thema macht, das ist doch super. Why not?

Finden Sie es gut, wenn sich Comedy in den Dienst einer guten Sache stellt, so wie sich zum Beispiel Carolin Kebekus dem Thema Feminismus verschrieben hat?

Ich finde es großartig, dass es verschiedene Spielarten gibt. Carolin Kebekus nutzt ihren Humor, um bestimmte Dinge aufzudecken, und bei mir weiß ja auch jeder, der es wissen will, wo ich politisch stehe. Ich werde dafür ja auch genug beschimpft von einer bestimmten Seite – aber das ist okay. Ich würde mir eher Sorgen machen, wenn ich von denen nicht beschimpft würde.

Viele Leute blicken mit Sorge in die Zukunft. Sie auch?

Ich bin ein realistischer Optimist. Wenn ich kein Licht am Ende des Tunnels sehe, versuche ich wenigstens, den Lichtschalter zu finden. Es bringt doch nichts, wenn wir uns nur vergrämen, das hat noch nie geholfen, eine Situation besser zu machen. Aber natürlich habe auch ich Sorgen, es gibt ja auch genug Anlass. Wenn in Amerika Donald Trump erneut Präsident wird, was im Moment ja nicht unwahrscheinlich ist, werden sich glaube ich in der gesamten Welt Dinge sehr verschlechtern. Das wird nicht schön.

Viele Leute fragen sich, wie KI das Leben verändern wird. Haben Sie die Künstliche Intelligenz mal einen Gag schreiben lassen?

Ich nicht, nein. Ich weiß von ein, zwei Comedians, die das probiert haben, und die KI hat nichts Vernünftiges ausgespuckt. Die Künstliche Intelligenz wird uns Live-Comedians nie ersetzen, das wird nicht funktionieren. Wir haben in meinem Club mittlerweile Gäste, die reisen extra 200 Kilometer weit an, um die Show zu besuchen, was ich krass finde. Das Live-Erlebnis, in einen Comedyclub zu gehen, wird die KI nie ersetzen können.

Sie bieten in dem Club auch Workshops, auf der Internetseite ist zu lesen, dass es dabei einen Frauenmangel gibt. Sind Frauen denn generell immer noch unterrepräsentiert in der Comedy?

Wir haben bereits ganz viele tolle Comediennes auf der Bühne, und es kommen viele tolle Talente nach. Aber es gibt auf jeden Fall noch einen Nachholbedarf, speziell bei der Stand-up-Comedy sind mehr Männer als Frauen vertreten. Das hat viele Gründe. Stand-up-Comedy ist natürlich schon eine sehr krasse Kunstform. Wenn du auf eine Bühne gehst und niemand lacht, das ist ein Schlag in die Magengrube, außerdem bist du viel alleine unterwegs, im Zug oder im Auto. Das musst du aushalten können. Aber das gilt natürlich für jeden – egal ob du Mann oder Frau bist.

Ihre Fernsehshows sind pünktlich zum Start der Fußball-EM zu sehen. Wird es auch um Fußball gehen?

Na klar mache ich auch eine Nummer dazu. Wir Deutschen sind ja manisch-depressiv, wenn es um Fußball geht. Wir verlieren 0:2 gegen Österreich und denken gleich, es ist alles vorbei, und dann gewinnen wir gegen Frankreich und glauben, wir werden Europameister. Das ist natürlich feinstes Comedymaterial.

Michael Mittermeier kam 1966 in der Kleinstadt Dorfen in Oberbayern zur Welt, er studierte Politologie und Amerikanistik in München und schrieb 1994 seine Magisterarbeit über amerikanische Stand-up-Comedy. Zu dieser Zeit stand der Bayer bereits selber auf der Bühne, seinen Durchbruch feierte er 1996 mit dem Programm „Zapped“. Es folgten zahlreiche weitere Tourneen, Bücher und Fernsehshows, außerdem absolvierte Mittermeier unter anderem in New York und London Auftritte in englischer Sprache. Der Komiker ist mit der Sängerin Somersault verheiratet, er lebt mit seiner Frau und der gemeinsamen Tochter in Pullach bei München.

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Erstellt:
11.06.2024, 13:51 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 31sec

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