Wohlstands-Satire mit Sauriern
Willkommen in der Steinzeit: Vor 65 Jahren, am 30. September 1960, startete im US-Fernsehen jene legendäre Mittelstandssatire mit Sauriern, die im Original „The Flintstones“ und in Deutschland „Familie Feuerstein“ hieß. Widderhörner als Telefonhörer, Vögel als Plattenspieler, Schildkröten als Rasenmäher und ein riesiger Dinosaurier als Bagger: Die prähistorischen Protagonisten Wilma und Fred Feuerstein leben das ganz normale Leben einer kleinbürgerlichen Vorstadt-Familie, die mit den Tücken des Alltags kämpft – nur eben ohne Strom und Plastik. Die Parodie auf die Wohlstandsgesellschaft der 60er Jahre schrieb als erste Zeichentrickserie, die zur besten Sendezeit im Hauptabendprogramm lief, Geschichte. Fred Feuersteins Freudenschrei „Yabba Dabba Doo“ wurde weltberühmt – ebenso wie die kultige Titelmelodie „Meet the Flintstones“, die von einem Motiv aus Beethovens Sturm-Sonate inspiriert sein soll.
Schöpfern waren bereits mit „Tom & Jerry“ erfolgreich
Die Serie entsprang der Phantasie der amerikanischen Comic-Zeichner Joseph Barbera und William Hanna, denen schon 1940 mit den Kino-Cartoons „Tom & Jerry“ der große Wurf gelungen war. 1959 bat der Sender ABC das Duo, eine halbstündige Serie für die beste Sendezeit zu kreieren, die also auch den Geschmack von Erwachsenen treffen musste. Deshalb konzipierten beide „The Flintstones“ als Parodie auf die US-Mittelschicht und modellierten die Feuersteins sowie das befreundete Ehepaar Betty und Barney Geröllheimer als Abbild des spießigen 60er-Jahre-Lifestyles mit seiner klassischen Rollenverteilung: Vati geht arbeiten und sorgt dafür, dass der Schotter reinkommt, Mutti bleibt daheim und kümmert sich um den Haushalt.

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Ein undatiertes Archivbild zeigt die Schöpfer der Zeichentrick-Serie Familie Feuerstein, Joseph Barbera (l)und William Hanna.
Hanna und Barbera versetzten die Gegenwart der 60er Jahre mit ihren technischen Errungenschaften in eine bunte Turbo-Steinzeit. Das Steinzeit-Städtchen Bedrock gleicht einer modernen Einfamilienhaus-Siedlung mitsamt Metzger, Tankstelle und Supermarkt. Vor den mit Hecken umstandenen Häuschen parken als Autos Baumstämme mit Tretantrieb. Markenzeichen der Serie ist der Einsatz prähistorischer Tiere als Maschine oder Haushaltsgerät: Die Rolle des Mülleimers übernimmt ein Hängebauchschwein, das Duschwasser kommt direkt aus dem Rüssel eines Mammuts, ein Sägefisch dient als Küchenmesser. Fred, der knorrig-herzliche Einfaltspinsel im Leopardenfell, arbeitet in einem Steinbruch, wo er einen XXL-Dino als Bagger bedient – nach Feierabend geht er gerne mit Wilma ins Autokino oder liest die Zeitung, die natürlich in Stein gemeißelt ist.
Erste Serie, die das Thema Unfruchtbarkeit behandelte
Die Themen der „Flintstones“ waren bei allem Witz doch von mehr oder minder zeitloser menschlicher Natur. Es ging um Aufstiegshoffnungen und Abstiegsängste, Ärger mit den Vorgesetzten, Kegelausflüge und Grillpartys mit den Nachbarn, bei denen riesige Brontosaurus-Rippchen serviert wurden. Im Lauf der 166 Episoden bekamen die beiden Paare Nachwuchs, und der Steinzeit-Spaß behandelte als erste Serie überhaupt das Thema Unfruchtbarkeit: Weil die Geröllheimers keine Kinder bekommen konnten, adoptierten sie den kleinen Bamm-Bamm, ein bärenstarkes Krabbelkind, das mit einer Keule die Hauskatze in Schach hielt, einen Säbelzahntiger.
Die süße rothaarige Tochter von Wilma und Fred hieß übrigens Pebbles: kleines Steinchen. Nur eines von unzähligen Wortspielen mit der Steinzeit, der frühesten Epoche der Menschheitsgeschichte. Die Dinos waren zu dieser Zeit zwar in Wahrheit schon seit zig Millionen Jahren ausgestorben – doch derlei zeitliche Ungereimtheiten waren in den „Flintstones“ nicht nur geduldet, die Anachronismen hatten vielmehr Methode. Und so kommt es, dass die Bewohner von „Bedrock“ auch Weihnachten feierten, obwohl Jesus bekanntlich erst vor rund 2000 Jahren lebte, und Wilma in einer Frauenzeitschrift schmökert, die aufs Jahr drei Millionen vor Christus datiert ist.
Etliche Ableger und ein Realfilm
Die originelle Mischung machte die Abenteuer der Familie Feuerstein zu einer der erfolgreichsten Zeichentrick-Serien aller Zeiten. „The Flintstones“ wurde in 80 Länder verkauft, in 22 Sprachen übersetzt und lief jahrelang auch im Deutschen Fernsehen. Nach sechs Staffeln war 1966 zwar Schluss, doch die Serie ist bis heute Kult. Später gab es noch etliche Ableger und auch einen Realfilm, in dem 1994 John Goodman den etwas großmäuligen Fred Feuerstein verkörperte. Wer das Original aus den 60er Jahren sehen will, diese Ikone der Fernsehunterhaltung des 20. Jahrhunderts, wird bei mehreren Streamingdiensten fündig.