
Empathische Menschen können sich in andere einfühlen und mitfühlen.
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AOK-SPEZIAL
Mitfühlen lässt sich trainieren
Empathie gehört zur Grundausstattung des Menschen. Sie befähigt uns mitzuleiden, mitzufühlen und sich in andere hineinzuversetzen. Das Beste: Empathie lässt sich trainieren.
Empathie ist eine Vorraussetzung
Ärger mit der Kollegin? Warum hat sie sich so verhalten? Was geht gerade in meinem Partner vor? Warum weint das Kind? Ohne Empathie können wir andere Menschen nicht verstehen und kein erfülltes Leben führen. „Denn Empathie ist die Voraussetzung für ein friedliches Miteinander“, sagt Birgit Lesch, Diplom-Psychologin bei der AOK. „Ohne Empathie wären Beziehungen,Teamarbeit und gute Gespräche nicht möglich.“
Sensibilität und Feingefühl
Auch in einen Raum hineinzukommen und die Stimmung in der Gruppe zu erfassen, gelingt nur empathischen Menschen, die über ausreichend Sensibilität und Feingefühl verfügen. 2004 veröffentlichte die Max-Planck-Wissenschaftlerin Professor Dr. Tanja Singer eine Arbeit, die deutlich macht, wie grundlegend Empathie in Menschen angelegt ist. In den Versuchen wurden jeweils einer Person leichte Stromstöße zugefügt, während eine andere zusah. Durch Messungen am Gehirn konnte die Gruppe um Tanja Singer nachweisen, dass die oder der Zuschauende in der Regel mitlitt – so, als wäre sie oder er selbst betroffen gewesen.
Überlebensvorteile
Beobachtung lehrt, dass bereits einjährige Kinder trösten möchten, wenn zum Beispiel ein Baby weint oder die Mama Schmerzen hat. Und selbst Tiere sind Birgit Lesch zufolge fähig zur Empathie. So kommen beispielsweise auch Schimpansen ganz aufgeregt angelaufen, wenn die Bezugsperson weint, und versuchen, Trost zu spenden. „Sich mit anderen zu verbinden, das sorgt für Überlebensvorteile“, sagt die Expertin. Das habe nicht nur früher gegolten. Empathie sei die Basis für Erfüllung im Leben und Erfolg im Beruf. Lesch: „Nur mit einer gewissen Portion Einfühlungsvermögen können wir Beziehungen aufbauen, eine Partnerschaft eingehen und andere Menschen lieben und verstehen.“
Empathie erzeugt Sympathie
Jemand, der sich empathisch zeigt, gewinnt viele Sympathien, weiß die AOK-Expertin. Wer möchte schon im Job mit jemandem zu tun haben, der verantwortungslos handelt, andere manipuliert und mobbt, sich rücksichtslos verhält, ohne Angst oder Reue zu verspüren? So nämlich verhalten sich Lesch zufolge psychopathische Menschen, denen aufgrund einer Persönlichkeitsstörung das Einfühlungsvermögen fehlt. „Empathie im Beruf ist förderlich für gute Teamarbeit und erleichtert die Kooperation im Geschäftsleben“, sagt die Psychologin. Für Führungskräfte sei es wichtig, nicht nur für Respekt, sondern auch für eine verständnisvolle Atmosphäre zu sorgen. „Empathische Führungskräfte können ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wesentlich besser motivieren“, erklärt Birgit Lesch. „Sich in den anderen hineinzuversetzen, die Perspektive zu wechseln, ist auch die Voraussetzung, um Konflikte im Beruf oder Privatleben zu lösen oder sogar zu vermeiden.“

Meditation kann die Selbstwahrnehmung fördern, die eine Voraussetzung für Empathie ist.
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Die Fähigkeit zur Empathie ist Menschen zwar in die Wiege gelegt worden, doch sie kann im Laufe des Lebens wachsen. Dass sie sich sogar trainieren lässt wie ein Muskel, hat die Hirnforschung bewiesen. Basis der Untersuchungen wie beispielsweise von Tanja Singer ist die Meditation. Sie kann zum einen die Selbstwahrnehmung fördern – eine Voraussetzung, um die Gefühle anderer wahrzunehmen. Zum anderen sind viele meditative Übungen darauf ausgelegt, das Herz zu öffnen und das Mitgefühl für andere zu steigern. Empathie kann aber auch belasten – „wenn wir nicht mehr gut trennen können zwischen den Gefühlen des anderen und den eigenen. Die nötige Distanz ist dann verloren gegangen“, erläutert Birgit Lesch. Wenn etwa eine Pflegeperson das Schicksal aller Schwerkranken zu sehr an sich heranlasse, überwögen negative Gefühle. Das verursache Stress bis hin zum Burnout. Könne die Pflegekraft jedoch in einem zweiten Schritt die Empathie verbinden mit positiven Gefühlen wie Fürsorge, Wärme, Dankbarkeit und einer akzeptierenden Haltung, sei es möglich, eine emotionale Erschöpfung abzuwenden.
Aktives Zuhören
Ein weiteres Empathie-Training ist der AOK-Expertin zufolge das aktive Zuhören. Aktives Zuhören gilt als Kern der Kommunikation, im Berufs- wie im Privatleben. „Aktiv bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Zuhörerin oder der Zuhörer dem Gegenüber mit einer möglichst offenen und wohlwollenden Haltung begegnet“, erklärt die Psychologin. Wichtig sei dabei, die eigene Meinung erst einmal zurückzunehmen. Stattdessen sollte man ernsthaft nachfragen, um den anderen wirklich zu verstehen. Sei man sehr geübt, lasse sich das Mitgefühl auch auf Menschen ausweiten, die man nicht kenne. „Doch über all das Engagement für andere sollten wir nicht vergessen, auch uns selbst Empathie entgegenzubringen“, sagt Birgit Lesch und fügt hinzu: „Häufig verurteilen wir uns wegen vermeintlicher Fehler, statt nachsichtig mit uns selbst zu sein.“ (ams)