Im syrischen Lebensmittelladen in Bremerhaven-Lehe ist die Erdbebenkatastrophe das alles beherrschende Thema.

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In Bremerhaven leben seit dem Bürgerkrieg sehr viele Geflüchtete aus Syrien. Auch unter ihnen ist die Katastrophe zurzeit das alles beherrschende Thema. Auch im Lebensmittelladen sprechen (v. li.) Omar Isheir, Mamoum Al Mostafa und Kunden über die Lage im Erdbebengebiet um Aleppo.

Bremerhaven zeigt große Solidarität mit den Erdbeben-Betroffenen

Tote. Trümmer. Trauer. Entsetzen. Tausende Menschen in Bremerhaven haben in der Katastrophe in der Türkei und Syrien Angehörige, Freunde verloren, organisieren Spenden und Transporte. Die Stadt Bremerhaven gibt ihrem Mitgefühl einen besonderen Raum.

Trauerfeier für Erdbebenopfer

Jetzt reagiert auch die Stadt auf Trauer und Schmerz Tausender Angehöriger

„Die Frage ist nicht nur, wie akut Hilfe von hier aus koordiniert werden und beim Wiederaufbau geholfen werden kann“, ringt auch Sülmez Çolak um Fassung. Die Bremerhavener Grünen-Abgeordnete in der Bremischen Bürgerschaft hat türkische Wurzeln und ein drängendes Anliegen: „Wie können wir als Stadt mit Tausenden türkischstämmigen Menschen, die seit 60 Jahren zu Bremerhaven gehören, Solidarität bekunden?“, sagt sie im Gespräch mit der Redaktion. „Da gibt es ein Bedürfnis nach einer zentralen Trauerfeier.“

Dem Mitgefühl Ausdruck zu verleihen - dafür rufen der Präsident der Bremischen Bürgerschaft, Frank Imhoff, und der Regierungschef des Landes Bremen, Andreas Bovenschulte, für diesen Sonnabend, 11 Uhr, zu einer landesweiten Schweigeminute auf, um - egal wo - der Verstorbenen zu gedenken.

Stadt lädt zu einer zentralen Gedenkfeier ein

Doch die Bremerhavener Politik plant jetzt mehr, auch auf Çolaks Initiative hin: Am Mittwoch, 15. Februar, lädt die Stadt um 17 Uhr zu einer Gedenkfeier auf dem Theodor-Heuss-Platz ein. „Auch wir in Bremerhaven erfahren schmerzlich, dass diese Katastrophe nicht wirklich weit weg ist, sondern menschlich ganz nah“, betonen Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD) und Bürgermeister Torsten Neuhoff (CDU) am Freitag in einer Presseerklärung.

„Wir möchten allen, die von diesem mächtigen Naturereignis betroffen sind, ganz deutlich sagen, dass wir als ihre Nachbarinnen und Nachbarn mit ihnen fühlen.“

Die Bremerhavener Grünen-Politikerin Sülmez Colak ist Mitglied der Bremischen Bürgerschaft und unterstützt ihre betroffenen türkischen Landsleute.

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Die Bremerhavener Politikerin Sülmez Colak (Grüne) ist Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft, mit vielen betroffenen Familien befreundet und bittet um Spenden an die Hilfsorganisationen.

Aktionsbündnis Katastrophenhilfe: IBAN DE65 100 400 600 100 400 600. BIC: COPADEFFXXX, Stichwort: ZDF Erdbeben Türkei Syrien.

Aktion Deutschland hilft: IBAN DE62 3702 0500 0000 1020 30. BIC: BFSWDE33XXX. Stichwort: Erdbeben Türkei Syrien

Ärzte ohne Grenzen e.V.: IBAN DE72 3702 0500 0009 7097 00. SWIFT-BIC: BFSWDE33XXX.

UNO-Flüchtlingshilfe : IBAN DE78 3705 0198 0020 0088 50. BIC: COLSDE33. Stichwort: Erdbeben.

Medico International e.V.: IBAN DE69 4306 0967 1018 8350 02. BIC: GENODEMM1GLS. Stichwort: Nothilfe Erdbeben.

Für einen „sehr guten Gedanken“ hält das Damla Akman. „An einem würdigen Ort wie dem Stadttheater oder der Stadthalle. Aber manche wollen auch lieber still für sich trauern“, meint die Geschäftsfrau, die selbst keine Angehörigen zu betrauern hat, „aber mein Mitarbeiter. Er ist jetzt zu Hause in Antakya, dort steht nichts mehr.“

In der gleichen Stadt haben auch die Eltern von Sülmez Çolak ihr Zuhause verloren - durch glückliche Fügung aber nicht ihr Leben. „Meine Eltern sind krank und seit November hier in Bremerhaven“, erzählt sie.

„Eigentlich wollen sie im März wieder rüber, unmöglich. Mein Vater hat dort mehrere Cousins verloren, wir sind ständig mit der großen Familie drüben in Kontakt. Es sind zwar Hilfstransporte angekommen, aber die Menschen aus den zerstörten Dörfern schaffen es nicht bis zu den Sammelstellen in der Stadt. Alles sehr chaotisch.“

Zerstörte Dörfer sind abgehängt von Hilfen

Etliche Freunde stellten zwar irgendwo in der Türkei ihre Ferienwohnungen zur Verfügung, „aber es gibt keine Transporte dahin“.

Von der Hilfsbereitschaft der Bremerhavener ist sie überwältigt, „so viele wollen irgendwie helfen“.

Besser mit Geld- statt mit Sachspenden, betonen Grantz und Neuhoff unisono, „an die Hilfsorganisationen, die in den Erdbebengebieten tätig sind, private Transporte sind zu aufwendig und dauern zu lange“. Außerdem kommen nur neuwertige, gut verpackte und deklarierte Güter durch den türkischen Zoll.

Muharrem Arkun hat in seinem Tabakwarengeschäft im Columbus-Center eine Spendenbüchse aufgestellt. Der 59-Jährige sammelt gezielt für eine befreundete Familie in Hatay, die viele Tote zu beklagen und alles dort verloren hat.

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Muharrem Arkun hat in seinem Tabakwarengeschäft im Columbus-Center eine Spendenbüchse aufgestellt. Der 59-Jährige sammelt gezielt für eine befreundete Familie in Hatay, die viele Tote zu beklagen und alles dort verloren hat.

Muharrem Arkun hat indes Sorge, dass auch Geld an seriöse Organisationen „vielleicht versickert“, sagt der 59-Jährige, der seit 25 Jahren einen Tabakwarenladen im Columbus-Center führt. Dort hat er eine kleine Spendenbüchse aufgestellt. „Jeder Cent zählt. Ich sammle 1:1 ganz gezielt für die Familie meines Mitarbeiters, er ist in Hatay, hat alles verloren, Angehörige auch, da weiß ich, das Geld kommt an.“ Die Bilder im Fernsehen träfen nicht die Realität, berichte der Mitarbeiter, „die Hölle kann nicht schlimmer sein“.

Quer durch unsere Stadt ist die Verzweiflung aller greifbar, die in der Türkei und in Nordsyrien um Nahestehende bangen und trauern.

„Meine Schwägerin in Aleppo ist tot. Mein Papa und meine Brüder sind schwer verletzt, die Häuser weg.“ Mamoum Al Mostafa kämpft im syrischen Lebensmittelladen an der Hafenstraße mit den Tränen. Seit Jahren lebt der Syrer in Bremerhaven und hat gerade übers Handy Furchtbares erfahren: „Meine Schwiegermutter hat in Hatay überlebt, aber Angst, weil die Erde noch immer bebt. Wie geht es nur weiter?“

Auch Omar Isheir, Mitarbeiter des Geschäftes, ist hilflos. „Es kommen ständig Familien, die alles dort verloren haben und fragen nach Transporten, aber ich warte noch auf Informationen.“

Es komme jetzt darauf an, „betroffenen Freunden und Bekannten beizustehen“, betont Oberbürgermeister Grantz, „ihnen im Alltag zu helfen und zuzuhören“.

Hilfsorganisationen

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Erstellt:
10.02.2023, 19:07 Uhr
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