Silvester, Alkohol und Feuerwerk sind eine Mischung, die die Polizei und auch Rettungskräfte massiv fordert. Und so fordern die Polizeigewerkschaft wie auch Mediziner ein generelles Feuerwerksverbot.

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Silvester, Alkohol und Feuerwerk sind eine Mischung, die die Polizei und auch Rettungskräfte massiv fordert. Und so fordern die Polizeigewerkschaft wie auch Mediziner ein generelles Feuerwerksverbot.

Der privaten Knallerei zu Silvester droht das Aus

Böllereiverbot zu Silvester steht plötzlich wieder oben auf der Themenliste. Ärztevertreter und die Polizeigewerkschaft machen sich stark für das Verbot.

Private Knallerei vor dem Aus?

Ärztekammer unterstützt Ruf nach Silvester-Böllerverbot - Polizeigewerkschaft macht Druck

Zwei Jahre lang fiel das Böllern zum Jahreswechsel weitgehend aus. Corona-Regeln machten einen Strich durch die Rechnung der Feuerwerksfans. Kritik an der Böllerei gab es immer wieder, jetzt wird sie lauter - genauso wie der Widerspruch.

Es geht um Sicherheit, um Gesundheit und Ökologie und hat reichlich politische Sprengkraft. So spricht sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP) für zentral organisierte Feuerwerke an Silvester und ein Verbot privater Böllereien aus. Die Maßnahme sei für viele vielleicht schmerzhaft, aber sinnvoll, so der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke. Argumente gegen private Böllerei seien die Schadstoffproduktion, der anfallende Müll, das hohe Unfallrisiko vor allem unter Alkoholeinfluss, die Böller- und Raketenangriffe auf Polizei, Feuerwehr und Rettungssanitäter und sowie die Sachbeschädigungen. Kopelke hält es angesichts angespannter Situationen in Kliniken für „unverantwortlich, die dortigen Mitarbeitenden ohne zwingenden Grund und ohne Not noch höheren Belastungen auszusetzen“.

„Die Atemwege leiden darunter ebenso wie Umwelt und Klima“

Und auch die Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) unterstützt Forderungen nach einem Böllerverbot an Silvester. „Aus lungenfachärztlicher Sicht ist das uneingeschränkt zu unterstützen“, so ÄKN-Präsidentin Martina Wenker gegenüber unserer Redaktion. „Die Begrenzung exzessiver Böllerei hätte gleich mehrere positive Auswirkungen“, ist sie überzeugt. Die Ärzte und das Pflegepersonal in Kliniken und Notaufnahmen arbeiteten schon jetzt „am Anschlag“. Ein Grund dafür sei immer noch die Corona-Pandemie. Ärzte und Pflegekräfte dürften nicht noch zusätzlich durch Feuerwerksopfer belastet werden.

„Außerdem sollten die Behörden endlich den Fokus stärker auf die negativen Folgen der Feinstaubbelastung richten, die durch Böller entstehen. „Die Atemwege der Menschen leiden darunter ebenso wie Umwelt und Klima“, warnte die Lungenfachärztin Wenker.

Durch das Abbrennen von Feuerwerkskörpern werden laut Umweltbundesamt jährlich rund 2.050 Tonnen Feinstaub freigesetzt, 1.500 Tonnen davon in der Silvesternacht. Die Menge entspricht etwa einem Prozent der in Deutschland freigesetzten Feinstaubmenge pro Jahr. Die Deutsche Umwelthilfe setzt sich schon länger für ein Ende des privaten Silvesterfeuerwerks ein und argumentiert auch mit der hohen Feinstaubbelastung durch Silvesterfeuerwerk, dem Müllaufkommen und der Belastung für Tiere.

Innenministerium siehtVerbot skeptisch

Polizeigewerkschafter Kopelke forderte die Innenministerkonferenz sowie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auf, sich des Themas zeitnah zu widmen. Mit einer Novelle des Sprengstoffgesetzes könnten sicher die Voraussetzungen für ein umfassendes Verbot des Abbrennens privaten Feuerwerks geschaffen werden. Das Bundesinnenministerium wies aber bereits Anfang November die Forderung der Umwelthilfe nach einem Böllerverbot an Silvester zurück. Ein Verbot sei zum Jahreswechsel 2020/2021 und 2021/2022 jeweils von Bund und Ländern aufgrund der Corona-Pandemie beschlossen worden, so eine Sprecherin auf Nachfrage. „Ob erneut eine Situation entstehen wird, die einen vergleichbaren Beschluss erforderlich macht, ist derzeit nicht absehbar“, fügte sie hinzu. Ohne ein allgemeines Verbot liegt die Entscheidung nach Auskunft des Bundesumweltministeriums bei den Städten und Landkreisen. Dort heißt es bislang zumeist, dass es zum Jahreswechsel voraussichtlich weniger Einschränkungen für das Abbrennen von Feuerwerk als zuletzt geben wird.

Zurückhaltung bei Verbotsansätzen in Niedersachsen

Verbotszonen wegen der Corona-Pandemie soll es in Niedersachsen nach derzeitigem Stand nicht wieder geben. Allerdings signalisierten bereits einige Städte, dass sie an Verbotszonen aus Sicherheitsgründen festhalten wollen. Dies gilt auch für Bremen. Dort soll das seit dem Jahreswechsel 2020/2021 bestehende Böllerverbot im Bereich der Weser-Promenade Schlachte bestehen bleiben, um Eskalationen unter Alkoholeinfluss zu vermeiden. Zudem gilt in Bremen schon seit längerem ein Feuerwerksverbot im Bereich denkmalgeschützter Bereiche wie dem Marktplatz mit dem Rathaus oder dem Schnoorviertel. Auch rund um den Zoo am Meer in Bremerhaven, die Häfen sowie in einem Umkreis von 1500 Metern um den Bremer Flughafen gilt nach dem Sprengstoffrecht ein Verbot für Feuerwerk. Bußgelder reichen in Bremen den Angaben nach von 5.000 bis 50.000 Euro.

Feuerwerksbranche hofft auf Umsätze wie vor Corona

Derweil hofft die Feuerwerk-Industrie mit einem ähnlichen Silvesterumsatz wie vor der Corona-Pandemie. Der Verband der pyrotechnischen Industrie geht von Erlösen von rund 120 Millionen Euro aus. Die Verkaufsverbote für Silvesterböller in den vergangenen beiden Jahren seien für die Feuerwerkshersteller eine große Herausforderung gewesen. „Die Corona-Zwangspausen 2020 und 2021 haben die Branche beinahe ausgeknockt“, sagte Verbandschef Klaus Gotzen. Mehrere hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien seit 2020 entlassen worden.

Benziner und Diesel stehen schon auf der schwarzen Liste, Gas-Heizpilze sind längst verpönt und schnelles Fahren auf der Autobahn ebenso: Während das Verbrenner-Aus beschlossene Sache ist, dürften andere Bevormundungen wie ein unsägliches Tempolimit auf Deutschlands Autobahnen nur eine Frage der Zeit sein.

Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht Rufe nach weiteren Verboten laut werden. Nun sind es also private Silvesterfeuerwerke, die es nach dem Willen von Umweltschützern, Polizeigewerkschaftern und Ärzten nicht mehr geben soll. Zu laut, zu viel Müll, zu viel Feinstaub, zu viele Verletzte. Stimmt alles. Und dennoch: Muss immer gleich mit erhobenem Zeigefinger ein Verbot nach dem nächsten gefordert werden. Gibt es nicht ohnehin schon genug Vorschriften? Ist vieles nicht schlicht überreguliert, statt auf die Kräfte des Marktes und das Verantwortungsbewusstsein der Bürger zu setzen?

Feuerwerkskörper sind nicht nur teuer, sondern auch gefährlich. Wem seine Gesundheit am Herzen liegt und wer sein Geld nicht im wahrsten Sinne verpulvern will, wird ohnehin die Finger von Raketen und Böllern lassen. In Zeiten, in denen beim Wochenendeinkauf noch stärker auf Angebote geachtet werden muss und die Menschen lieber zu einer zweiten Decke greifen, als die Heizung höher zu drehen, werden private Feuerwerke zum Jahreswechsel ohnehin glanzloser oder eben komplett ausfallen. Kurzum: Ein Böllerverbot wäre nicht nur ein Knaller, sondern ist auch schlicht überflüssig.

Das wäre der Knaller

Lars Laue

Der privaten Knallerei zu Silvester droht das Aus

© NWz

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Erstellt:
14.11.2022, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 44sec

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