
© Derk Machlitt/Crem Tec
Die Feuerbestattungen Stade GmbH gehört dem großen niedersächsischen Krematoriumsbetreiber Crem Tec an. In diesen Anlagen hier werden jährlich rund 9.200 Verstorbene eingeäschert.
Wie Krematorien Energie einsparen
Die Energiekrise hat auch die Friedhöfe erreicht. Weil das Einäschern Verstorbener viel Gas verbraucht, suchen Krematorien nach Wegen, Energie zu sparen. Wir haben recherchiert, was das in Bremerhaven und in der Region bedeutet.
Um die von Inflation und explodierenden Energiepreisen belasteten Menschen in einem Todesfall nicht auch noch unter Druck zu setzen und um die Kosten für den Gasverbrauch zu senken, hat die Stadt die wöchentlichen „Laufzeiten“ für die Verbrennungsanlage gedrosselt und längere Tagesschichten eingerichtet. Mit Flexibilität, betont Krematoriums- und Friedhofsverwalter Olaf Kranz, denn wann und wie lange die Anlage in Betrieb ist, richte sich danach, wie viele Verstorbene einzuäschern sind. „Im September zum Beispiel waren es 97, aber im vorigen Januar 140.“ Durchschnittlich 1.300 Einäscherungen pro Jahr werden hier vorgenommen - Tendenz steigend.
Die Bestattungskultur ist seit Jahren im Wandel - deutschlandweit liegt der Anteil der Einäscherungen bei rund 75 Prozent.
Eingeäschert werden Verstorbene in Krematorien - solche Anlagen unterliegen gesetzlichen Vorgaben, was den Vorgang, die Technik, die Temperatur, die Emissionswerte betrifft. Das alles ist auch entscheidend in der Suche nach Möglichkeiten, Energie und Kosten einzusparen.
Ein Drittel der bundesweit rund 160 Krematorien privat betrieben
Bundesweit gibt es nach Angaben der Gütegemeinschaft Feuerbestattungsanlagen rund 160 Krematorien. Etwa zwei Drittel sind in städtischer Hand, ein Drittel wird privat betrieben. In Norddeutschland allerdings gebe es „mehr privatwirtschaftliche Betreiber als kommunale“, betont Leroy Czichy. Der Leiter des Gartenbauamtes Bremerhaven ist mitverantwortlich für das städtisch betriebene, vor 30 Jahren errichtete Krematorium unmittelbar am großen kommunalen Friedhof Spadener Höhe.

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Im städtischen Krematorium Bremerhaven ist eine Ofenanlage in Betrieb, aber zu jetzt veränderten Zeiten. Friedhofsverwalter Olaf Kranz (von links) und Krematoriumstechniker Thorsten Hülseberg erklären dem zuständigen Stadtrat Dr. Ulf Eversberg und Leroy Czichy vom Leitungsteam des Gartenbauamtes den Ablauf des Einäscherungsprozesses.
Bremerhavens kommunale Anlage reduziert den Betrieb
Nicht mehr abgewartet hat die Stadt mit einer „Sofortmaßnahme“: „Wir äschern nicht mehr an fünf Wochentagen ein, sondern an vier“, erklärt Kranz. „In der Regel finden freitags keine Verbrennungen mehr statt.“ Dafür aber werde montags bis donnerstags einige Stunden - je nach Zahl der Verstorbenen - länger gearbeitet, in Absprache mit dem fünfköpfigen Personal. Bis zu 25 Prozent an Energie werden damit eingespart, sagt Czichy. Der Gasverbrauch liege durchschnittlich bei 2.800 Kilowattstunden für 100 bis 120 Einäscherungen pro Monat, „an Kosten bedeutet das bisher rund 3.000 Euro im Monat“.
Auch wenn das Einzugsgebiet für Bremerhavens Krematorium den Landkreis Cuxhaven einschließt, die Region Bremervörde, Loxstedt und auch die Wesermarsch - die Konkurrenz ist dicht dran. Mit den Standorten Stade, Stadt Cuxhaven, Celle und Hildesheim ist die Crem Tec GmbH der nach eigenen Angaben größte private Krematoriumsbetreiber in Niedersachsen. Die Tochtergesellschaft Feuerbestattungen Stade mit Einzugsbereich auch in den Raum Hamburg gibt auf Nachfrage monatlich etwa 767 Einäscherungen und das Krematorium am Standort Cuxhaven monatlich rund 250 Einäscherungen an. Bis zu 30 Prozent weniger Gas seien bereits durch Veränderungen im Betrieb erzielt worden, so die Auskunft von Crem-Tec-Betriebsleiter Thies Heinrich. So sei der Betrieb der Anlagen innerhalb der gesamten Unternehmensgruppe von ein und zwei Schichten auf Zwei- bis Drei-Schicht-System umgestellt und zwei Ofenanlagen seien abgestellt worden. Dadurch seien die Lohnkosten für das Personal mit Zahlung von Nacht- und Wochenendzuschlägen „erheblich gestiegen“, es werde daher für Hinterbliebene „zu moderaten Preisanpassungen kommen“, so die Auskunft des Unternehmens. Als weitere Möglichkeit, Energie einzusparen, habe Crem Tec die Temperatur in der „Nachverbrennungskammer“ von 850 Grad auf 750 Grad gesenkt, was nur mit „Einzelgenehmigung durch das Kreisumweltamt“ möglich sei - das erlaube das Bundesgesetz. Die Emissionsgrenzwerte würden dabei eingehalten.

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Im städtischen Krematorium Bremerhaven an der Spadener Höhe ist Thorsten Hülseberg seit elf Jahren technisch Verantwortlicher für die Anlage. Die Einäscherung verläuft auf drei Ebenen, hier ist die untere letzte Stufe zu sehen, in der die zu Asche mineralisierten sterblichen „Überreste“ eines Menschen aufgefangen und respektvoll für die Bestattung vorbereitet werden.
Die „Linie“, die hier einzige Ofenanlage, arbeitet auf drei Etagen: Der Sarg fährt zunächst auf gleicher Ebene in die Hauptverbrennungskammer. Nach etwa einer Stunde - „jeder Körper reagiert anders auf 850 Grad Hitze“, erklärt Olaf Kranz - werden noch nicht komplett eingeäscherte Körperfragmente eine Etage tiefer in der Nachverbrennungskammer „mineralisiert“, so der Fachausdruck. In der dritten Ebene darunter wird die Asche Verstorbener von Mitarbeitern noch einmal in allem Respekt für die Urne vorbereitet.
Könnte auch im Bremerhavener Krematorium die Temperatur in der zweiten Ebene um 100 Grad reduziert werden? „Wir prüfen derzeit unter anderem beim Hersteller der Anlage und bei der Umweltbehörde, ob eine Ausnahmegenehmigung hier möglich ist“, erklärt Dr. Ulf Eversberg (Grüne), als Gartenbauamtsdezernent der politisch Verantwortliche in Bremerhaven.
Senken der Verbrennungstemperatur bundesweit umstritten
Olaf Kranz ist eher skeptisch: „Möglicherweise ergibt sich durch das Senken auf 750 Grad in unserer Anlage eine unsaubere Verbrennung mit zu hohen Emissionswerten.“ Da habe das Gewerbeaufsichtsamt mitzureden. Das ist zuständig für die Emissionsmessgeräte. Denn beim Einäschern Verstorbener werden auch Kohlendioxid, Feinstäube und Furane freigesetzt - Furane sind organische chemische Verbindungen, die beim Abbau zum Beispiel von Kohlenhydraten, Fettsäuren und auch Eiweiß entstehen - sie gelten als eventuell krebserregende Substanz.
„Man kann beim Einäschern Verstorbener ja nicht erst eine Weile ‚ausprobieren‘, was geschieht, wenn die Temperatur gesenkt wird“, erklärt Olaf Kranz. „Je höher die Temperatur, umso ‚sauberer‘ wird verbrannt.“

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Selbst vor dem Tod macht die Digitalisierung nicht Halt: Krematoriumsmitarbeiter Thorsten Hülseberg überwacht in der Leitwarte des Bremerhavener Krematoriums den korrekten Ablauf jedes Einäscherungsprozesses am Computer.
Einsparungen aber durch geänderte betriebliche Abläufe - darauf setzen bundesweit viele Krematoriumsbetreiber. Die Stadt Bochum hat von Zwei-Schicht-Betrieb mit zwei Öfen umgestellt auf Rund-um-die-Uhr-Betrieb mit nur noch einem Ofen. Ein großer Privatbetreiber bei Koblenz hat 24-Stunden-Betrieb eingeführt, damit die Öfen nicht mehr auskühlen und dann viel Gas verbrauchen, um wieder hochzufahren.
Wenn in Bremerhaven aber schon donnerstagabends die Anlage ausgestellt wird, die Temperatur sinkt und am Montag wieder hochgeregelt werden muss, ist das nicht erst recht kostenintensiv? „Nein“, erklärt Olaf Kranz. „Denn wir erhöhen die Zahl der Einäscherungen erst ab Dienstag“, damit bleibe die in den Tausenden Schamottsteinen gespeicherte Eigenhitze des Ofens an den nächsten Tagen so hoch, „dass der Gasverbrauch für die letzten drei oder vier Einäscherungen deutlich niedriger ist. Der Gasverbrauch sinkt an jedem Tag mit jeder Einäscherung.“ Mittelfristig, sagt Dezernent Eversberg, „wollen wir weg vom Erdgas. Bremerhaven arbeitet auf anderen Gebieten an Wasserstoff-Technologie. Ob auch ein Krematorium dafür geeignet wäre, gilt es zu prüfen“.