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Das Klinikum Reinkenheide: Hier hat die 21-Jährige eine Ausbildung gemacht.
Schon als Azubi in Reinkenheide
Die aufgeflogene falsche Ärztin, die für vier Monate im Ameos-Klinikum Debstedt tätig war, wollte ursprünglich mal Krankenpflegerin werden. Sie musste ihre Ausbildung zur Pflegefachfrau im Klinikum Reinkenheide abbrechen.
Eine 21-Jährige hat sich erfolgreich als Ärztin ausgegeben und sich so Arbeitsverhältnisse im Ameos-Klinikum in Debstedt und in einem Krankenhaus in Meppen erschlichen. In beiden Fällen war sie im Jahr 2022 jeweils nur einige Wochen im Dienst und soll keine Patienten geschädigt haben. „Sie war zu keinem Zeitpunkt unbeaufsichtigt tätig und hat zu keinem Zeitpunkt selbstständige ärztliche Entscheidungen getroffen“, ordnete Ameos-Sprecher Marco Graudenz den Vorfall am Montag ein.
Zuvor in einem anderen Krankenhaus tätig gewesen
Jetzt wurde bekannt, dass die vermeintliche Ärztin offenbar vor ihrer erschlichenen Einstellung im Ameos-Klinikum in Debstedt eine reale Ausbildung als Krankenpflegerin im Klinikum Bremerhaven-Reinkenheide angefangen hatte. „Wir sind am Montag von Ameos darüber informiert worden, dass bei einer Mitarbeiterin im ärztlichen Dienst von Ameos die adäquate Ausbildung infrage steht. Diese Mitarbeiterin hatte gegenüber Ameos offenbar angegeben, zuvor in unserem Hause tätig gewesen zu sein“, teilte Klinikum-Reinkenheide-Sprecher Henning Meyer mit.
„Wir können bestätigen, dass diese Person 2021 eine generalistische Ausbildung zur Pflegefachfrau in unserem Haus begonnen hatte. Dieses Ausbildungsverhältnis wurde jedoch 2022 bereits vorzeitig beendet“, sagt Meyer. Die Sicherheit der Patienten im Klinikum Reinkenheide sei durch den Einsatz der Auszubildenden zu keiner Zeit gefährdet gewesen.
Nach Informationen der NORDSEE-ZEITUNG soll die junge Frau während der Ausbildung im Kollegenkreis mit Geschichten aufgefallen sein, die offensichtlich gelogen waren, sie selbst habe sie aber wohl tatsächlich geglaubt. Ihr Freund sei demnach Arzt. Und sie habe einen so teuren Verlobungsring, den sie erstmal versichern müsse. Zur Sprache kam auch ihr Vater, der angeblich mehrere Oldtimer besitze. Von unterwegs habe die damals in Bremen wohnende Auszubildende angerufen, dass sie später komme, weil sie im Stau stecke, ein Hubschrauber sei auf der Autobahn gelandet. Eine Überprüfung habe ergeben, dass da zu der Zeit überhaupt kein Unfall oder Stau gewesen sei. Sie sei auch immer mit einem Stethoskop um den Hals herumgelaufen.
„Anders gelagerter Fall“
Ameos betont, den Fall der falschen Ärztin dank eines aufmerksamen Mitarbeiters Ende Oktober selbst aufgedeckt und so die Klinik in Meppen gewarnt zu haben. Ameos hat die falsche Ärztin verklagt. Dennoch bleibt bislang die Frage offen, wie die 21-Jährige so überzeugend auftreten konnte, dass sie am 1. Mai 2022 im Seepark-Klinikum Assistenzärztin wurde. Diese Frage unserer Zeitung lässt Ameos mit dem Verweis auf das laufende Verfahren unbeantwortet. Auch über mögliche interne Konsequenzen ist bislang nichts bekannt. Thomas Spieker, Sprecher der niedersächsischen Ärztekammer, nimmt das Ameos-Klinikum ein Stück weit in Schutz: Obwohl die Krankenhäuser wegen des Ärztemangels zunehmend unter Druck stünden, Personal zu finden, „gibt es da klare Regularien“. Es handele sich hier „um einen anders gelagerten Fall“, in dem eine Person viel dafür getan hätte, glaubwürdig zu wirken.
Das Gesundheitsministerium in Hannover teilt unterdessen mit, dass der Niedersächsische Zweckverband zur Approbationserteilung (NiZzA) derzeit prüfe, ob und wie nochmals eine Sensibilisierung der Krankenhäuser für gefälschte Unterlagen erfolgen kann. „Die Kliniken sollten sich bei jedweden Zweifeln an der Echtheit von Urkunden immer an die ausstellende (Approbations-)Behörde wenden, um Zweifel gegebenenfalls ausräumen zu können“, teilt Sprecher Manfred Böhling mit.
Das Menschen vorgeben, sie seien Arzt, ist kein Einzelfall. Jahrelang ist etwa ein Mann aus Schleswig-Holstein in Flensburg als falscher Notfallmediziner im Einsatz gewesen. Der 35-Jährige flog aufgrund von Hinweisen aus seinem Umfeld auf. Ein gelernter Krankenpfleger aus Sachsen-Anhalt wiederum hatte sich 2010 mit einer gefälschten Arztzulassung und einem angeblichen Doktor-Titel fünf Jahre lang als Anästhesist und Intensivmediziner ausgegeben und zuletzt auf einem Kreuzfahrtschiff rund 1.300 Passagiere behandelt. Patienten seien nicht zu Schaden gekommen, er wäre aber nicht in der Lage gewesen, bei Komplikationen einzugreifen. Ein 37-jähriger Lybier arbeitete in einer Kasseler Praxis, einer Klinik in Melsungen (Hessen) sowie in einer Klinik in Kemnath (Bayern). In Libyen hatte der Mann zwar eine medizinische Ausbildung gemacht. Bei einer Kenntnisprüfung in Deutschland war er aber durchgefallen.
In Lüneburg flog 2015 ein Hochstapler auf. In entsprechender Kleidung war er im Mai 2015 auf mehreren Stationen als angeblicher Anästhesist unterwegs. Weder hatte ihn die Klinik eingestellt, noch behandelte er dort Patienten.
Nordsee-Zeitung.de berichtet über alle Entwicklungen und neuen Enthüllungen im Fall der Schummel-Ärztin. Hier finden Sie eine Chronologie der bisherigen Ereignisse:
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