Gericht in der Reithalle: Eitze schreibt Justizgeschichte

Gericht in der Reithalle: Eitze schreibt Justizgeschichte

Im beschaulichen Eitze wird eine ehemalige Reithalle zum Schauplatz eines der aufsehenerregendsten Prozesse Deutschlands: Die mutmaßliche Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette steht wegen 13 Raubstraftaten vor Gericht.

Reithalle wird zur Gerichtsstätte

Eitze erlebt einzigartigen Strafprozess

„Eitze, einfach einzigartig“, wirbt die zur Stadt Verden gehörende Ortschaft. Nun hat sie ein Alleinstellungsmerkmal, vermutlich in der gesamten Bundesrepublik, das aber nicht jedem dort gefällt. In einer zum Gerichtssaal umgebauten Reithalle wird ab morgen der derzeit wohl bekanntesten Angeklagten Deutschlands der Prozess gemacht. Der mutmaßlichen Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette.

Vor zwei Monaten ist der Prozess am Oberlandesgericht Celle gestartet. Es geht nicht um die Klärung einer terroristischen Vergangenheit der 66-Jährigen, sondern um 13 Raubstraftaten mit der sie sich ihr Leben unter falschen Namen finanziert haben soll. Dabei soll sie gemeinsam mit ihren Komplizen Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub, nach denen weiterhin gefahndet wird, einen Mordversuch begangen haben.

Miete für zwei Jahre: 3,6 Millionen Euro

Zuständig für den Prozess ist das Landgericht Verden. Doch der dortige Schwurgerichtssaal wurde aus Sicherheitsgründen als ungeeignet angesehen und der Staatsschutzsaal in Celle kann, wie es dort heißt, nicht für so lange Zeit vom Landgericht genutzt werden. Deshalb hat das Land eine Reithalle in Eitze angemietet. Laut dem niedersächsischen Justizministerium gemietet für zwei Jahre zum Preis von rund 3,6 Millionen. „Die Kosten für die bauliche Sicherung und Ausstattung übernimmt vollständig der Vermieter“, teilt Ministeriumssprecherin Verena Brinkmann auf Nachfrage mit.

Es ist nicht einfach nur eine Reithalle, sondern eine prachtvolle Anlage ringsherum. Früher stand dort ein Bauernhof, der wurde abgerissen und äußerlich fast identisch neu wieder aufgebaut. Mit Stallungen, Reithalle, Nebengebäuden und das alles auf einem knapp 44.000 Quadratmeter großen Areal. Schwimmteich inclusive.

Besitzer hatte Angst vor Entführung

Vermutlich ist die Wahl auf dieses Objekt gefallen, weil es bereits gut gesichert ist. Komplett umgeben von einem hohen Zaun an dem sich alle paar Meter Überwachungskameras befinden. Zusätzliche Zäune mit Stacheldraht wurden für den Prozess aufgestellt.

Ein Spielplatz hinter Stacheldraht.

© Bruns

Spielplatz hinter Stacheldraht. In Eitze gibt es hohe Sicherheitsauflagen.

Der vermögende Besitzer soll immer Angst gehabt haben, „von solchen Leuten entführt zu werden“, berichtet eine Nachbarin. Nun wird ausgerechnet dort einer Frau der Prozess gemacht, die Teil der linksextremistischen Terrororganisation „Rote Armee Fraktion“ gewesen seien soll.

Ortsbürgermeisterin findet das Ganze befremdlich

Vor ein paar Jahren ist der Eigentümer gestorben. Danach stand das Anwesen lange leer. „Ich habe mir immer wieder Leben auf dem Hof gewünscht. So ein Leben aber nicht“, sagt sie. „Die Ruhe ist dahin“, befürchtet die Nachbarin und mit ihren Sorgen ist sie nicht allein.

„Von einer Verhandlung in einer Reithalle habe ich noch nie gehört“, sagt Ortsbürgermeisterin Anja König und findet das Ganze eher befremdlich. Sie fragt sich, was für ein Ansturm an Zuschauern und Journalisten auf Eitze zukommt. Wo werden die alle parken? Was für ein Polizeiaufgebot ist zu erwarten? „Wenn man wüsste, alles läuft so und so, wäre es einfacher“, merkt sie an und hoffte, dass dann schnell wieder Ruhe einkehrt.

Lebhaftes Vereinswesen im Ort

„Eetzen“, so der plattdeutsche Name, der sogar auf den Ortsschildern steht, beschreibt sie als ein friedliches Dorf. Ganz nah an Verden, biete es zugleich die Vorteile einer Stadt. Sie schwärmt von den Einwohnern genauso wie von dem Vereinswesen, in dem durchaus idyllischen alten Ortskern.

Direkt angrenzend an den neuen Verhandlungsort verläuft der Gohbach. Aus Wasser unter Eichen soll der Ortsname entstanden sein. Es gibt eine historische Wassermühle, die man über eine alte Kopfsteinpflasterstraße gut zu Fuß erreichen kann. Genauso wie den kleinen Selbstbedienungs-Hofladen, der sich in einem Fachwerkspeicher auf „Stoffers Hoff“ befindet.

Kaffee, Eis und Kaltgetränke auf „Stoffers Hoff“

Ausflügler, genauso wie Juristen, können dort Kaffee, Eis und kalte Getränke erwerben. Klappt auch in Verhandlungspausen, wenn es die Zeit und die Sicherheitsvorkehrungen zulassen. „Ich bin gespannt, wie es mit dem Prozess abläuft“, sagt Inhaberin Elisabeth Fresen.

„Wer es möchte, kann sich schnell integrieren“ und wer sich in Eitze niedergelassen hat, der wolle auch bleiben, weiß Anja König. Was sie sehr freut, wenn es nicht gerade die Justiz mit so einem Strafprozess ist.

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Erstellt:
27.05.2025, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 59sec

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