Der stille Triumph des Hans Rosenthal
Eine überraschende Erkenntnis
Der Sport hat der Menschheit schon viele große Momente beschert. Von einem, der sich – allerdings ganz leise und unbemerkt - bereits Ende der 1960er-Jahre ereignete, habe ich dieser Tage zum ersten Mal gelesen. Und zwar in der Autobiografie eines Moderators, dessen bekannteste Sendung zwar „Dalli Dalli“ (also etwa „schnell, schnell“) hieß, den ich bislang aber so gar nicht mit der Jagd nach Bällen und Bestzeiten in Verbindung gebracht hatte. So kann man sich täuschen.
Hans Rosenthal wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden
Das gilt ganz grundsätzlich für die Person des 1987 verstorbenen Berliners Hans Rosenthal, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, und dessen Sendung ich als kleiner Junge noch gemeinsam mit meiner Oma auf der Couch der großelterlichen Wohnung verfolgt habe. Damals wusste ich nichts von der schlimmen Geschichte, die dieser freundlich-fröhliche Mann mit sich herumtragen musste.
Bruder und Angehörige im Holocaust ermordet
Geboren als Sohn einer jüdischen Familie in Prenzlauer Berg, verlor er seine Eltern in früher Jugend, sein zehnjähriger Bruder und etliche weitere Angehörige starben im Holocaust. Er selbst überlebte nur knapp und mit unwahrscheinlichem Glück, unter höchstem Risiko versteckt von drei Frauen in einer Berliner Kleingartenkolonie.
Präsident von Tennis Borussia
Nach dem Krieg machte Rosenthal Karriere im Rundfunk, engagierte sich im Zentralrat der Juden – und war von 1965 bis 1973 eben auch Präsident des Fußballvereins Tennis Borussia Berlin. Als sein Team die Aufstiegsrunde zur Fußball-Bundesliga erreichte, die im Berliner Olympiastadion ausgetragen werden sollte, setzte der Moderator alles dran, mit seiner Frau einen ganz bestimmten Platz auf der Ehrentribüne zu bekommen. Das gelang. Und so saß Hans Rosenthal an eben jener Stelle, die Adolf Hitler drei Jahrzehnte zuvor bei den Olympischen Spielen eingenommen hatte, und grüßte nach allen Seiten.
Mehr wert als Pokale und Meisterschaften
Welche Gedanken dem Mann, den die Nazis als Jugendlichen umbringen wollten, dessen kleinen Bruder sie ermordet, dessen Familie sie zerstört hatten, dabei durch den Kopf gegangen sein müssen, lässt sich nur erahnen. Aber dass sein stiller Triumph ihm mehr wert gewesen sein dürfte, als alle Aufstiege, Meisterschaften und Pokalsiege dieser Welt zusammen, darf man wohl annehmen.

© Arnd Hartmann