Reform im Kinderfußball: So funktionieren die neuen Spielformen

Reform im Kinderfußball: So funktionieren die neuen Spielformen

Neue Spielformen im Kinderfußball sollen helfen, den deutschen Fußball zurück auf Spitzenniveau zu bringen. Der neue Nachwuchsdirektor des Deutschen Fußball-Bundes, Hannes Wolf, wirbt massiv dafür. Trotz teilweise polemischer Kritik.

So funktioniert der Kinderfußball

Reformen sollen den Nachwuchs stärken - DFB-Direktor Wolf kämpft gegen Kritiker

Hannes Wolf brennt für das Anliegen, vor allem im Kinderfußball bei der Ausbildung der Spieler neue Wege zu gehen. Und er hat die Praxiserfahrung, um den Sinn des neuen Konzepts in wenigen Sätzen erklären zu können: „Es ist essenziell für die Entwicklung der Kinder, dass sie öfter den Ball haben. Die Entwicklung wird deutlich zunehmen, wenn wir mehr in Kleinformaten wie drei gegen drei oder vier gegen vier trainieren“, sagt Wolf. „Das, was wir dadurch bekommen, ist viel, viel mehr wert als eine Tabelle.“ Ab der Saison 2024/25 ist das neue Konzept Pflicht.

Polemische Reaktion von DFL-Boss Watzke

Daran, dass Tabellen in den jüngsten Klassen nicht mehr geführt werden sollen, hatten sich viele Kritiker aufgezogen. Unter anderem DFL-Boss Hans-Joachim Watzke. Der hatte die bundesweit geplante Abschaffung von Tabellen von der U6 bis zur U11 als „unfassbar“ und „nicht nachvollziehbar“ bezeichnet und eine Reform der Reform angekündigt. Wolf berichtete nun, dass die Differenzen ausgeräumt worden seien. „Wir haben danach zweimal telefoniert. Es ist alles in Ordnung zwischen uns“, sagte der 42-Jährige und schickte einen Dank an Watzke hinterher: „Wir haben das erste Mal in Deutschland eine öffentliche Debatte über Nachwuchsfußball. Darüber freuen wir uns riesig.“

Misserfolge der Nationalmannschaften erhöhen Handlungsdruck

Das liegt auch daran, dass gleich drei Flaggschiffe des DFB zuletzt heftigen Schiffbruch erlitten haben: Die Nationalmannschaft der Männer schied bei der WM ebenso sang- und klanglos in der Vorrunde aus wie die Frauen-Auswahl bei ihrer WM. Die männliche U21-Mannschaft flog bei der EM ebenfalls nach der Vorrunde raus - als Titelverteidiger.

Als Ende August der neue Nachwuchsdirektor Hannes Wolf seine Reform für den Jugendfußball vorstellte, war die Resonanz groß, die Kritik heftig. Wolf versucht nun, Traditionalisten wie Watzke von seinem Vorhaben zu überzeugen.

Kleine Felder, wenig Spieler

Und nicht nur er. Bei der offiziellen Vorstellung des Konzepts saßen U21-Trainer Antonio di Salvo und U18-Auswahlcoach Hanno Balitsch neben ihm. Die beiden Ex-Profis sind Mitglied eines mehrköpfigen Kompetenzteams, das Wolf zur Seite steht. Die beiden sind aber auch Familienväter, die ihre Söhne in ihren Heimatvereinen trainieren - und dabei seit langem auf das von Wolf vorgestellte Modell der Kleinfelder mit den Spielformen drei gegen drei oder vier gegen vier setzen. Neu ist das nicht, die „Funino“ genannte Spielform wurde in den 80er Jahren entwickelt. Aus Platzgründen habe di Salvo in seinem Verein schon vor zehn Jahren darauf zurückgegriffen - und schnell die Vorzüge erkannt: „Jedes Kind ist permanent gefordert, es geht ständig um Dribbling, Zweikampf, Pässe. Zugleich ist viel Spaß dabei.“

Gewinnen und verlieren wird nicht abgeschafft

Gewinnen und Verlieren werde nicht abgeschafft, sondern nur anders bewertet: Gewinnt ein Dreierteam ein zehn Minuten dauerndes Match, rückt es im Feld nach rechts, der Verlierer geht nach links. Dass es keine Tabellen gibt, habe pragmatische Gründe, so Wolf: „Es ist nicht möglich, all diese Ergebnisse in Tabellen darzustellen. Aber das, was wir bekommen, ist so viel mehr als das, was wir verlieren, wenn wir bei den Kindern keine Tabellen mehr abbilden.“ Wobei es auch jetzt schon zum Alltag gehört: In Niedersachsen etwa werden seit einigen Jahren in den jüngsten Altersgruppen längst keine Ergebnisse und Tabellen mehr erfasst, auch bei den „normalen“ Spielen mit zwei Toren.

Jeder Spieler kann sich weiterentwickeln

Wolf plädiert dafür, dass auch nach der Kleinfeld-Pflicht ab der E-Jugend in den Vereinen weiter im Kleinformat trainiert wird. Denn mit diesen Spielformen Feld gebe es keine Phasen mehr, in denen Spieler minutenlang keinen Ball mehr erhalten und nur immer dieselben vier, fünf Spieler den Ball haben. Anders formuliert: Keiner kann sich verstecken, jeder muss permanent angreifen oder verteidigen und kann sich so fußballerisch weiterentwickeln.

Spiele auf große Tore mit großen Spielerzahlen sollen für die jüngsten Fußballer Geschichte sein. Auf dem Kleinfeld haben sie mehr Ballkontakte.

© Brandt/dpa

Spiele auf große Tore mit großen Spielerzahlen sollen für die jüngsten Fußballer Geschichte sein. Auf dem Kleinfeld haben sie mehr Ballkontakte.

Natürlich könne man niemanden dazu zwingen, so Wolf: „Wir können das nicht entscheiden, wir wollen überzeugen.“ Dazu rollt gerade eine Informationsoffensive an. Wolf und sein Team treffen sich mit den Trainern der Nachwuchsleistungszentren. Es gibt YouTube-Videos, in denen Trainer und ehemalige Spieler wie Sandro Wagner oder die Bender-Zwillinge über die Vorteile des Kleinfeldtrainings sprechen. Über die Homepage des DFB können dezidierte Informationen heruntergeladen werden.

Andere Länder verfolgen längst ähnliche Konzepte

Letztlich, so Hanno Balitsch, komme das Konzept auch den Jugendtrainern zugute, die meist nach der Arbeit auf den Fußballplatz hetzen und sich keine Gedanken über einen Trainingsaufbau machen können: „Es ist nicht schwierig, diese Felder zu organisieren. Wenn die mal laufen, muss man die Kinder nur dazu animieren: gemeinsam angreifen, gemeinsam verteidigen. Ab und zu muss ich einen neuen Ball einwerfen.“

Laut Wolf kommt die Überzeugungsarbeit an. Wolf verweist darauf, dass Stringenz wichtig ist, dass andere Nationen längst mit solchen Mitteln arbeiten - etwa das mit einer Fülle an Topspielern gesegnete Belgien, in dem halb so viele Einwohner wie in Nordrhein-Westfalen leben. Die Zeit sei gekommen, um umzudenken im deutschen Jugendfußball, der seit längerem das Fehlen von Mittelstürmern, Außenverteidigern und kreativen Spielern aller Positionen bemängelt: „Wir können nicht so tun, als hätten wir es in den vergangenen Jahren besonders gut gemacht.“

Jedes Kind ist permanent gefordert, es geht ständig um Dribbling, Zweikampf, Pässe. Zugleich ist viel Spaß dabei.
Hannes Wolf, DFB-Direktor Nachwuchs
Reform im Kinderfußball: So funktionieren die neuen Spielformen

© Kessler/dpa

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Erstellt:
09.10.2023, 13:14 Uhr
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