„Ich war schon immer von Naturdokus fasziniert“
Er war der tapfere Siegfried in der „Nibelungen“-Neuverfilmung und der fiese Indianer-Joe in „Tom Sawyer“, in der Serie „Babylon Berlin“ ist er als rechtsextremer Offizier von Anfang an dabei: Benno Fürmann. Doch der Schauspieler mit den durchdringend blauen Augen hat nicht nur ein markantes Gesicht, sondern auch eine gute Stimme – nun ist er als Erzähler in der Reihe „Erlebnis Erde: Faszination Europa“ (ab 8. September, ARD) zu hören. Der Sechsteiler über die Natur Europas wurde drei Jahre lang an 50 Schauplätzen von Island bis zum Mittelmeer gedreht und gilt als aufwendigste bisher fürs deutsche Fernsehen produzierte Natur-Dokuserie.
Herr Fürmann, Sie führen als Sprecher durch die aufwendige Dokuserie „Faszination Europa“. Sind Sie ein Fan von Naturdokus?
Ich war schon immer von Naturdokus fasziniert. Die betrunkenen Affen und Elefanten im Disney-Film „Die lustige Welt der Tiere“ zählen sogar zu meinen frühesten Kindheits-Erinnerungen, und als ich angefangen habe, zusammen mit meiner Tochter Fernsehen zu schauen und wir oft keine Schnittmenge beim Filmgeschmack gefunden haben, waren Naturdokus immer der gemeinsame Nenner, auf den wir uns einigen konnten.

© MDR/Thomas Koy
„Ich war schon immer von Naturdokus fasziniert“, sagt Benno Fürmann. In „Faszination Europa“ ist er als Erzähler mit markanter Stimme zu hören.
Sie waren für eine kürzlich gezeigte Ostsee-Doku unterwegs, haben das Natur-Buch „Unter Bäumen“ veröffentlicht, nun sind Sie Sprecher der Reihe „Faszination Europa“. Wollen Sie wie Ihr Kollege Hannes Jaenicke eine Stimme für Natur- und Umweltschutz werden?
Ich bin selber wahnsinnig gerne in der Natur. Es ist mir ein Anliegen, Menschen für die Natur zu sensibilisieren, weil ich es bedenklich finde, dass angesichts der vielen Krisen, die wir haben – Gaza, Israel, Ukraine, um nur einige zu nennen – unsere akuten klimatischen Probleme aus der Tagespresse verschwunden sind. Das finde ich erschreckend, weil sich ja die Umstände, in die wir Menschen uns hineinmanövriert haben, nicht verbessern, im Gegenteil. Alles, was uns die Fragilität der Natur und unsere Verantwortung dafür näherbringt, ist wichtiger denn je.
Die These der Reihe ist, dass Europas Natur unterschätzt wird. Würden Sie als Weltenbummler und Vielgereister das unterschreiben?
Das sehe ich nicht erst seit dieser Doku so. Die Natur hat so viele unterschiedliche Gesichter, und in Europa haben wir so vieles direkt vor der Haustür. Ich muss nicht in die Ferne schweifen, um spektakuläre Dinge erleben zu dürfen. Vor kurzem war ich in Südtirol, da konnte ich Steinböcke beobachten. Wenn man weiß, dass eine Handvoll Waldboden mehr Mikroorganismen beheimatet als die Welt Menschen hat, ist doch im Grunde alles gesagt.
Lernt man denn etwas dazu, wenn man den Kommentar zu einer solchen Serie beisteuert, oder konzentriert man sich zu sehr aufs Sprechen?
Ich lerne etwas dazu, und das finde ich ganz toll. Dass wir in Europa den persischen Leoparden haben, wusste ich zum Beispiel nicht – im Kaukasus gibt es noch einige wenige wildlebende Exemplare, und unserem Filmteam ist es als erstem überhaupt gelungen, diesen europäischen Leoparden zu filmen. Da bekomme ich beim Sprechen natürlich vor lauter Staunen Riesenaugen, wenn ich das sehe.
Was ist das Schwierige an einer solchen Aufgabe?
In einer Dokumentation beschreibst Du die ganze Zeit, was zu sehen ist. Es gibt einen reinen Erzähltext ohne wörtliche Rede – da neigt man dazu, relativ gleich zu betonen. Das ist für den Zuhörer aber ab einem gewissen Punkt langweilig. Du bist der erklärende Mensch, der die Information für den Hörenden weiterleitet, und musst versuchen, sachlich zu erzählen, aber auch ein bisschen spannend, ohne dass es gleichförmig wird. Das ist die Aufgabe.

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Die Berberaffen von Gibraltar bilden eine der letzten Populationen dieser gefährdeten Primaten. Ihr Lebensraum steht unter besonderem Schutz.
Manchmal nimmt der Tonfall in solchen Formaten ja auch was sehr Majestätisches, Erhabenes an…
Das passiert, wenn Du als Sprecher vor Dir auf dem Monitor die tollen Bilder hast, über den Kopfhörer dazu den Soundtrack hörst. Dann bekommt das Ganze von alleine eine Größe, der Du mit Deiner Stimme Rechnung tragen willst. Natürlich entscheidet auch die Regie, wie sehr man die Stimme knarzen lässt, wann man in die Vollen geht, und wann man sich zurücknimmt und subtiler agiert. Aber ich glaube und hoffe, dass es mir nicht zu pathetisch geraten ist.
Der Mehrteiler ist ein Mammutprojekt. Drei Jahre dauerten die Dreharbeiten an 50 Orten von Island bis zum Mittelmeer, und von den Azoren bis Georgien. Wären Sie gerne dabei gewesen?
Kommt darauf an. Die eindrucksvollen Rothirsche in den schottischen Highlands, so ungemütlich es dort wohl auch war, hätte ich schon gerne gesehen. Manche Sachen beobachte ich aber lieber von der Couch oder von meinem Sprecherpult aus, als dass ich persönlich vor Ort bin. Einen Eisbären aus nächster Nähe zu sehen, darauf kann ich verzichten. Und wenn Kälte und Nässe zusammenkommen, stößt selbst meine große Naturliebe an ihre Grenzen.
Was war Ihr tollstes Naturerlebnis?
Ich bin vor vielen Jahren auf den Galapagos-Inseln mit sieben Meter großen Hammerhaien getaucht, das war schon kolossal. Den Himalaya zu besuchen gehört zu den eindrücklichsten Erlebnissen, die ich gehabt habe, oder meine erste Safari in Uganda: Nachts im Jeep, man sieht die Hand nicht vor Augen, aber überall im Dunkeln sind Augen, die Dich beobachten – das war schon spannend. Vom Dschungel bin ich nicht so ein Fan, da sind mir zu viele Kriechtiere, zu viele Insekten, die in meine Körperöffnungen krabbeln wollen.
Sie leben in Berlin. Vermissen Sie dort die Nähe zur Natur?
Total. Ich fahre zwar regelmäßig an die Seen und ins Umland, und Berlin ist ja auch eine grüne Stadt. Aber in der Stadt selber ist es mir oft zu laut, letztlich doch zu wenig Natur. Ich war dieses Jahr allein dreimal in Südtirol, wo ich Freunde besuche. Nach zehn Stunden Zugfahrt tolle ich im Hochgebirge herum, herrlich.

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Die Azoren liegen rund 1.500 Kilometer vom europäischen Festland entfernt. Als entlegene Inselgruppe sind sie ein einzigartiger Außenposten Europas.
Lassen Sie uns noch über die Serie „Babylon Berlin“ reden, in der Sie Günter Wendt spielen, den skrupellosen Chef der Politischen Polizei. Sind Sie in der finalen fünften Staffel wieder mit dabei?
Ja, ich bin wieder dabei. Ich spiele diesen Wendt sehr gerne, weil er ambivalent ist, sehr wendig im Kopf, sehr rigoros im Verfolgen seiner Ziele. Es macht mir großen Spaß, aber ob ich die Figur vermissen werde, kann ich noch nicht sagen. Wendt ist ja alles andere als ein weicher Charakter, wo man als Schauspieler denkt: Ich kann es kaum erwarten, wieder in seine wohlige, liebevolle Welt einzutauchen. (lacht)
Sind die Dreharbeiten schon abgeschlossen – und wann ist die Ausstrahlung?
Wir hatten ein paar Verschiebungen und drehen noch bis November. Wann die Ausstrahlung ist, weiß ich selber noch nicht.
War „Babylon Berlin“ für Ihre Karriere ein Booster?
Nicht wirklich. Ich bekomme immer noch Angebote, die ich toll finde, und Angebote, die ich schwächer finde. Aber ich bekomme international nicht viel mehr Rollenangebote als zuvor. Ich versuche, mich so durch meine kreative Welt zu navigieren, dass es für den Zuschauer und mich spannend ist und ich dabei meine Miete zahlen kann. Das war vor „Babylon Berlin“ so und das ist jetzt auch so. (axt)
- Benno Fürmann kam 1972 in Berlin zur Welt, er verlor als Kind seine Eltern und erlitt als 17-Jähriger beim S-Bahn-Surfen einen schweren Unfall. Nach der Mittleren Reife jobbte Fürmann als Kellner, Türsteher und Gerüstbauer, 1991 begann er in New York ein Schauspielstudium.
- Mit dem Kinofilm „Anatomie“ gelang ihm 2000 an der Seite von Franka Potente der Durchbruch. Seitdem ist der 53-Jährige regelmäßig in Fernseh- und Kinofilmen wie dem Bergsteigerdrama „Nordwand“ zu sehen – aktuell steht er für die letzte Staffel von „Babylon Berlin“ wieder als Schurke vor der Kamera. Der sozial engagierte Schauspieler, der sich unter anderem für Amnesty International stark macht, ist Vater einer Tochter und lebt in Berlin.
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