Schauspielerin Andrea Sawatzki: „Ich muss mein Leben genießen“

Schauspielerin Andrea Sawatzki: „Ich muss mein Leben genießen“

Schauspielerin Andrea Sawatzki spricht über die Zukunft der Bundschuh-Filmreihe, den neuen Roman „Biarritz“ über die Beziehung zu ihrer dementen Mutter und ihre Pläne für eine Alters-WG in Spanien mit Ehemann Christian Berkel und Freunden.

„Muss mein Leben genießen“

Neuer Roman „Biarritz“: Sawatzki verarbeitet Beziehung zur dementen Mutter

Sie gehört nicht nur zu Deutschlands populärsten Schauspielerinnen, sondern ist auch als Romanautorin sehr erfolgreich: Andrea Sawatzki. In den Verfilmungen ihrer Bücher über die Chaos-Familie Bundschuh spielt die 62-Jährige die Hauptfigur, die gestresste Hausfrau und Mutter Gundula. In der neuen Folge „Familie Bundschuh – Wir machen Camping“ (1.9., ZDF) schlittern Gundula und ihr Ehemann Gerald (Axel Milberg) in eine schwere Ehekrise. Außerdem ist vor Kurzem Andrea Sawatzkis autofiktionaler neuer Roman „Biarritz“ erschienen, in dem sie die konfliktreiche Beziehung zu ihrer Mutter aufarbeitet.

Frau Sawatzki, für den neuen Bundschuh-Film sind Sie wieder in die Rolle der gestressten Gundula geschlüpft. Was lieben Sie an ihr?

Ich glaube, dass sich in Gundula sehr viele Frauen wiedererkennen können. Ich habe sie mir damals um meinen 50. Geburtstag herum ausgedacht, weil mich die Reaktionen meiner Umwelt so getroffen haben. Das ist ja ein Dilemma für uns Frauen, dass man uns immer wieder nach dem Alter fragt: Wie wir mit dem Alter umgehen oder wie lange wir noch planen weiterzuarbeiten. Aufgrund dieser Fragen ist die Gundel entstanden, mit der ich den Nerv vieler Frauen in meinem Alter getroffen habe.

Werden Sie oft auf die Figur angesprochen?

Ja, und es freut mich immer, wenn die Leute mich als Frau Bundschuh anreden. Im Zug, beim Einkaufen oder auf der Straße heißt es oft: „Na, Frau Bundschuh, wie geht‘s denn heute?“

Im echten Leben haben Sie hoffentlich weniger Stress als die arme Gundula mit ihrer anstrengenden Familie…

Auf jeden Fall. Die Gundula hat ja ein Leidensmuster zu durchleben, das ich keiner Frau wünsche. Die Ehe mit Gerald ist kein leichtes Päckchen, das sie da zu tragen hat. Ich glaube, dass es in ganz vielen Ehen so ist, dass die Menschen nicht mehr wirklich miteinander sprechen, dass eine ehemals leidenschaftliche Beziehung sich dem täglichen Einerlei unterordnet und man vergisst, was man mal füreinander empfunden hat. Es ist ein großes Stück Arbeit, eine Beziehung am Leben und am Flackern zu erhalten.

Wie findet Ihre eigene Familie die Bundschuhs? Erkennen Ihr Mann Christian Berkel und Ihre Söhne sich in den Figuren wieder?

Mein Mann liebt die Bundschuhs, aber er erkennt sich natürlich nicht darin wieder. Er ist das genaue Gegenteil von einem Gerald. Und unsere Söhne haben die Bundschuhs glaube ich noch nie gesehen, höchstens ganz früher mal, als sie klein waren.

Andrea Sawatzki steht neben ihrem Mann, dem Schauspieler Christian Berkel.

© Lukas Barth

Die Schauspielerin Andrea Sawatzki und Schauspieler Christian Berkel posieren beim Presse-Filmbrunch des Bayerischen Rundfunks.

Sie schreiben keine Bundschuh-Romane mehr, liefern also nicht mehr die direkten Vorlagen für die Filme. Welchen Anteil haben Sie noch an den TV-Komödien?

Ich habe nach wie vor die Rechte an den Figuren und bin an ihrer Entwicklung maßgeblich beteiligt. Ansonsten achte ich sehr auf die Dialoge, weil ich gerne möchte, dass die Sprache eine ähnliche bleibt wie zu Beginn – besser gesagt: die Nicht-Sprache, also die Verständigungsschwierigkeiten in dieser Familie.

Es gab zwischendurch mal Meldungen, dass die Filmreihe nach der aktuellen Folge nicht fortgesetzt wird…

Ich weiß auch nicht, wie es zu diesen Gerüchten kam. Die Bundschuhs gehen natürlich weiter, und das freut mich sehr. Der zehnte Teil ist schon in Planung.

Im aktuellen Film verbringen Gundula und Gerald einige Tage auf einem Campingplatz. Wann waren Sie das letzte Mal campen?

Ich war das erste und letzte Mal mit 16 Jahren auf dem Campingplatz. Das war nach dem Tod meines Vaters. Meine Mutter hatte mich eingeladen, drei Wochen lang mit ihr in der Nähe von Biarritz auf einen Campingplatz zu gehen, da konnte man Campingwagen mieten. Wir hatten einen ganz kleinen, in dem man sich kaum drehen konnte, aber ich habe das sehr geliebt. Weil das ja im Grunde wie ein kleines Häuschen ist, das einem ganz allein gehört, da kann keiner rein und man ist ganz für sich. Ich habe diese Stimmung sehr gemocht, trotzdem habe ich das Campen bis zu den Dreharbeiten für den neuen Bundschuh-Film nie wiederholt.

„Biarritz“ ist auch der Titel Ihres neuen Romans, der unlängst erschienen ist. Wie schon der Vorgänger „Brunnenstraße“ ist das Buch eine Auseinandersetzung mit Ihrer schwierigen Familiengeschichte. Wann und warum haben Sie beschlossen, lieber über dieses ernste Thema zu schreiben als weiter heitere Komödien zu erzählen?

Das war im Grunde genommen immer ein Thema für mich: meine Geschichte, meine Kindheit. Das alles zu verarbeiten hat einen großen Teil meines Lebens ausgemacht. Zum Glück, muss ich heute sagen, weil mir diese Verarbeitung glaube ich ganz gut gelungen ist.

Nachdem Sie in „Brunnenstraße“ geschildert haben, wie Sie als junges Mädchen die Pflege Ihres demenzkranken Vaters übernehmen mussten, geht es in „Biarritz“ um die schwierige Beziehung zu Ihrer Mutter, die Ihre letzten Lebensjahre in einem Pflegeheim verbrachte…

Die Themen, die in beiden Büchern behandelt werden, betreffen potentiell einen Großteil unserer Gesellschaft. Das ist zum einen das Alter: Krankheit im Alter, Demenz, der Umgang damit – sowohl als Betroffener als auch als Pflegender. Ich glaube, dass ich mit diesen Büchern sehr viele Menschen erreiche, die sich gerade in derselben Situation befinden und durch meine Geschichte vielleicht getröstet fühlen. Ein großes Thema der Bücher ist auch das Schweigen zwischen den Generationen: Die Unmöglichkeit, mit den Eltern über Verletzungen aus der Kindheit oder Missverständnisse zu sprechen.

Sie erzählen radikal offen von Ihren ambivalenten Gefühlen für Ihre Mutter. Wie schwer war es, dieses Buch zu schreiben?

Was mich bei „Biarritz“ wirklich verblüfft hat war, dass mir die ursprüngliche Absicht, mit diesem Buch eine Liebeserklärung an meine Mutter zu schreiben, schwer fiel. Ich habe beim Schreiben gespürt, dass immer noch Groll in mir war. Über meine Kindheit und gegenüber meiner Mutter, dass sie sich quasi aus dem Staub gemacht hat, indem sie dement geworden ist. Ist vielleicht ein blöder Ausdruck, aber so habe ich es empfunden, denn ich konnte nicht mehr mit ihr über unsere Zerwürfnisse und die Zeit in der Brunnenstraße sprechen. Ich hatte es ihr nie wirklich verziehen. Ich habe das Buch zehnmal angefangen und habe drei Jahre gebraucht, bis ich gelernt hatte, dass ich erst einmal in die Biographie meiner Mutter eintauchen musste, um ihre Ängste und Schmerzen zu verstehen. Nur so ist es mir gelungen, sie aus tiefstem Herzen wieder lieben zu können.

Haben Sie Angst, dass Sie dasselbe Schicksal erleiden wie ihre beiden Eltern: Demenz?

Als ich selber Mutter wurde, hatte ich eine große Angst davor, weil ich dachte: Was passiert, wenn ich selber diese Krankheit bekomme und meine Kinder, wenn sie 20 sind, eine demente Mutter haben? Möchte ich meinen Kindern das antun, dass sie plötzlich vor jemandem stehen, den sie lieben und der sie nicht wiederkennt? Dieses Trauma war schon ziemlich tief in mir. Mittlerweile habe ich keine Angst mehr vor der Krankheit, sondern weiß aus meiner Erfahrung: Ich muss mein Leben genießen, ich muss jeden Tag dankbar sein für dieses Leben, denn es kann sich ganz schnell ändern.

Wie stellen Sie sich das Leben im Alter vor?

Ich habe definitiv nicht vor, in ein Pflegeheim zu gehen. Mein Buch „Biarritz“ ist ja auch eine Kritik an den Verhältnissen. An unserer Gesellschaft, an den Verantwortlichen – dafür, dass Pflegende so schlecht bezahlt werden und wir diesen großen Mangel an Pflegepersonal haben. Mein Mann und ich sind mit Freunden in Spanien schon in der Planung, dass wir irgendwann vielleicht in einem großen Haus zusammenleben, gemeinsam alt werden und auf uns aufpassen. Vielleicht noch mit ein paar Pflegekräften, die uns helfen.

Sie und Ihr Ehemann Christian Berkel schreiben beide viel beachtete Romane. Tauschen Sie sich bei der Arbeit eng aus?

Nein, wir entscheiden uns für ein Thema, schreiben dann daran und sprechen miteinander wenig darüber. Generell sprechen wir nicht jeden Tag über das, was wir so beruflich planen, wir haben genug andere Themen – und seien es unsere Kinder. Allerdings arbeiten wir, was die „Brunnenstraße“ betrifft, gemeinsam an der Verfilmung. Wir haben auch schon einen Produzenten, Stefan Sporbert, der auch meine neue Reihe „Die Verteidigerin“ für die ARD realisiert. Vielleicht werden wir uns aber auch hier wie schon bei „Querschuss“ mit unserer kleinen Produktionsfirma „couple of pictures“ beteiligen. Wir sind jetzt noch auf der Suche nach einem Sender.

Haben Sie literarische Vorbilder?

Nein, aber ich lese sehr viel, das ist eines meiner großen Hobbys.

Andrea Sawatzki.

© Adrian Gross

Andrea Sawatzki.

Zur Person

Andrea Sawatzki kam 1963 im bayerischen Kochel am See zur Welt, wuchs in prekären Verhältnissen auf und musste als Kind ihren an Demenz erkrankten Vater pflegen.
Nach dem Schauspielstudium arbeitete sie zunächst am Theater und übernahm kleinere Filmrollen, ehe sie 1997 mit dem Kinofilm „Die Apothekerin“ ihren Durchbruch hatte.
Endgültig bekannt wurde Sawatzki als sensible Kommissarin Charlotte Sänger im „Tatort“ aus Frankfurt, die sie von 2002 bis 2010 verkörperte.
Die 62-Jährige ist mit dem Schauspieler Christian Berkel verheiratet, der ebenfalls als Romanautor erfolgreich ist, das Paar hat zwei Söhne und lebt in Berlin.

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Erstellt:
30.08.2025, 20:00 Uhr
Lesedauer: ca. 5min 37sec

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